Die Wahrheit: Das Böse gegen das Gute
Drogenkonsum nimmt es in diesem Monat mit Tugendhaftigkeit auf: Die Konstellation der Gedenktage im August ist ungewöhnlich.
E s ist kaum zu glauben. Niemand hat bislang, soweit ich sehe, die konsequent narrative, dramatisch magische Kollision der Gedenk- und Jahrestage im August 2017 gewürdigt. Also erledige ich es. Schlicht ist anzumerken: In diesem Monat kämpft das Gute gegen das Böse und umgekehrt. Drogenkonsum nimmt es auf mit Tugendhaftigkeit.
Die Chronologie begann bereits gestern, als am selben Tag vor 100 Jahren der Senat der Vereinigten Staaten eine Entschließung zur Prohibition verabschiedete. Es benötigte weitere juristische Schritte, den Teufel Alkohol zu verbieten, so etwa musste die Verfassung ergänzt werden.
Das Gesetz trat dann im Januar 1920 in Kraft und währte bis Februar 1933. Dass der Beginn des Verbots parallel zur Einführung des Frauenwahlrechts verlief, können wir hier leider genauso wenig vertiefen wie den Schwarzhandel schildern, der der Mafia jeglicher Couleur eine Blütezeit bescherte.
Gleich am nächsten Tag – heute – fährt das lustige Trinken der strengen Abstinenz in die Parade. Des 20. Todestags von James Krüss ist zu gedenken, dessen Gedicht „Wenn die Möpse Schnäpse trinken“ wohl zu seinen berühmtesten Versen zählt. Für morgen wiederum streifen wir den 60. Jahrestag der Äppelwoi-TV-Show „Zum Blauen Bock“, und am Sonnabend ist vor 50 Jahren das Debütalbum von Pink Floyd erschienen (psychoaktive Substanzen!).
Am kommenden Sonntag dann ballt sich der Angriff in Gestalt des 100. Geburtstags von Robert Mitchum. Man vermag an keinen Spielfilm mit ihm ohne Drink zu erinnern. Ist das dem Typus geschuldet, den er darstellte? Von wegen. Als der Regisseur John Huston die erste Szene für den Film „Der Seemann und die Nonne“ (1957) drehen wollte, schickte er einen Assistenten los, der Mitchum in dessen Zelt abholen sollte. Mitchum ließ sich erst vier Stunden später blicken. Er bat um Verständnis – er und der Assistent hätten Scotch getrunken.
Schon 1949 war Mitchum zusammen mit der Kollegin Lila Leeds in eine verdeckte Operation der Polizei geraten. Die beiden wurden wegen Marihuana-Besitzes verhaftet. Als Mitchum für gut einen Monat im Gefängnis saß, besuchten ihn auch Fotografen der Zeitschrift Life. Eine Aufnahme zeigt ihn in Gefängniskluft mit einem Feudel wischend. Cool.
Weiter im Kalender. Dass sich der Unabhängigkeitstag Indiens am 15. August zum 70. Mal jährt, wäre hier so grundsätzlich zu verhandeln (psychoaktive Substanzen!) wie der 25. August, an dem vor 50 Jahren das Farbfernsehen in der BRD startete (Experimentierfeld für psychoaktive Substanzen!). Das spränge den Rahmen, deshalb konzentrieren wir uns, solange wir die Sinne beisammen halten, auf den letzten Tag des Jahres, der 150. Todestag von Charles Baudelaire.
Nun wären Baudelaires Gedichte „Die Blumen des Bösen“ zu entfalten und die Essays „Die künstlichen Paradiese“, ein vehementes Plädoyer für den Rausch. Aber es reicht, oder? Die Ekstase gewinnt eh. Gut so.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“