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Die WahrheitDanke, es eilt überhaupt nicht

Kolumne
von Andreas Milk

Eilmeldungen, überall Eilmeldungen. Wozu braucht es die eigentlich? Es gibt doch viel bessere und bewährtere Nachrichtenquellen im Biergarten.

H eute werde ich einmal scharfe, fundierte Kritik an den Medien üben. Ich will gar nicht wieder auf der Sache mit China und dem Sack Reis herumhacken. Aber: Den Sinn sogenannter Eilmeldungen im Fernsehen oder im Internet müsste mir bei Gelegenheit bitte doch noch mal jemand erklären. Solche Eilmeldungen haben mich – unter anderem – über den Tod Richard von Weizsäckers und Bud Spencers informiert.

Es gibt auf dieser Welt sicher weniger Wichtiges. Aber warum eilt das denn so? Bud Spencer und sogar Herr von Weizsäcker sind immer noch tot – und das, obwohl dem früheren Bundespräsidenten derart gehuldigt wurde, dass ich mir zumindest in seinem Fall eine Wiederauferstehung hätte vorstellen können. Es kann allerdings sein, dass er es auch nicht so hat mit dem Beeilen und sich deshalb ein bisschen Zeit lässt. Er war ja eher von der bedächtigen Sorte oder ist es vielleicht immer noch.

Schlimm, dass es neben ehrenwerten Ex-Staatsoberhäuptern und imposanten Schauspielern auch ausgesprochen dubiose Hallodris in die Eilmeldungen schaffen. Zum Beispiel Boris Johnson – „wird britischer Außenminister“, tickerte es neulich über meinen Bildschirm. Na und? Soll er doch. Wir werden wohl noch Jahre Zeit haben, uns mit dem Mann zu befassen.

Viel wichtiger und dringlicher zu klären wäre die Frage: Ist künftig – trotz Brexit – noch mit den Gastgeschenken meiner Tante Carla zu rechnen? Die ist vor Jahrzehnten nach London ausgewandert und hatte bei späteren Besuchen in Deutschland immer schon reichlich Scherereien. Sie streitet halt gern, auch mit Zöllnern. Ihr Gepäck besteht traditionell zu zwei Dritteln aus Spirituosen, die unsere beschauliche Stadt regelrecht fluten. Die Nachricht von Carlas Ankunft verbreitet sich entsprechend flott.

Auffällig ist, dass der Nachrichtenfluss in unserer kleinen Stadt im Sommer besser klappt als im Winter. Der Grund ist, vermute ich, die hohe Frequentierung der Biergärten während der warmen Jahreszeit. Als ausgesprochen flotte Quelle für Neuigkeiten erweist sich dieser Tage wieder der Biergarten am Markt. Wer wissen will, was in unserem Städtchen los ist, wendet sich an Heinrich. Der Pensionär bezieht werktäglich Posten an seinem Stammplatz unter der Markise hinten rechts, vom Brunnen aus gesehen.

Es gibt Gerüchte, dass zwischen Heinrich und dem Wirt ein regelrechter Arbeitsvertrag besteht – dafür sprechen Heinrichs absolut regelmäßige An- und Abwesenheitszeiten; Ausnahmen an Wochenenden der Bundesligasaison sind vorbehalten. Wenn er später kommt als üblich, ruft er an. Dass der Beginn seiner Blütezeit als lokaler Nachrichtenlieferant mit der Schließung einer örtlichen Zeitungsredaktion aus Gründen der Wirtschaftlichkeit zusammenfiel – ein Narr, wer da an einen Zufall glaubt.

Denken, wenn andere glauben – das kennzeichnet einen weisen Menschen. Das hat Richard von Weizsäcker gesagt. Ich denke, ich gehe dann mal zum Markt.

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