piwik no script img

Die WahrheitDer Modelschwimmtag

Kolumne
von Jenni Zylka

Es ist wieder Badezeit. Im Folgenden einige Tipps für das kühle Nass. So macht Schwimmen allen Spaß!

W äre ich Vorsitzende der „Berliner Bäder Betriebe“, würde ich neue Regeln einführen. Den traditionellen „Familien-Sonntag“, an dem freies Chlor im Babybecken durch die Pipikonzentration auf unter 0,3 Prozent absinkt und der Geräuschpegel auf teilweise bis zu 100 Dezibel ansteigt, würde ich bis 16 Uhr begrenzen.

Danach gälte eine einstündige „Gleitzeit“, in der die Väter und Mütter mit ihren Kindern langsam abziehen und die Teilnehmerinnen des „Modelschwimmens“ anrücken können: Models mit einem grenzwertigen BMI unter 18,5 in Itzi-Bitzi-Bikinis.

Die Hungerhaken könnten so feststellen, dass auch figürlich normale Menschen durchaus Spaß am Leben haben, ja sogar nachweislich Partner und Partnerinnen gefunden und Familien gezeugt haben. Und die Väter und Mütter, die seit dem Zuwachs behaupten, sie hätten keine Zeit mehr für Eitelkeiten wie Schminken oder die Auswahl von gut sitzender Bademode, und Badelatschen mit Absatz würde es eh gar nicht geben, könnten sich ein Beispiel an den aufgetakelten jungen Hühnern und Hähnen nehmen, und sich den einen oder anderen Modetipp in Sachen wasserfestes Make-up abholen.

Nachdem man während des Modelschwimmens das Becken reinigen könnte (die Modelkörper verdrängen wenig Wasser), würde die Gleitzeit zum nächsten Programmpunkt einsetzen: das abendliche „Rockabilly-Schwimmen“. Ausschließlich tätowierte Rockabillys und -bellas dürften eingelassen werden, so dass die Models mit (ihren ohnehin schon) großen Augen zusähen, wie fidele, übergewichtige Rockabilly-Fans mit viel Pomade im Haar in hübschen Plus-Size-Retro-Badekleidern im Sekundentakt per Arschbombe in die Becken plumpsen.

Gleichzeitig würde der mit 40 Dezibel gerade noch wahrnehmbare Lounge-Sound, den während der Modelschwimmzeit Bademeister Paule dann einspielt, durch das durch die Hallen hallende Klicken vom geslappten Kontrabass ersetzt werden, das mit 120 Dezibel die Wasseroberfläche zu rhythmischen Wellen kräuseln würde.

Die Rockabilly-Schwimmzeit wäre eine Herausforderung für das Team – vielleicht sogar eine größere als die Familienschwimmzeit, denn zum Urin müsste jetzt noch der Biergehalt herausgefiltert werden. Aber das Team hätte sich während der Model-Pause, in der nie irgendetwas passiert, etwas ausgeruht, und wäre nun wieder frisch. Und wenn sich doch einmal ein Model den Zeh verknackste, wären sofort alle Bademeister gleichzeitig am Start, um ihn zu massieren.

Ob sich das mit Haarfett angereicherte Wasser später für ein nächtliches „Heilbad“ für Menschen mit Hautkrankheiten nutzen ließe, die sich nur im Dunkeln ins Wasser trauen, muss man noch überlegen. Fest steht jedenfalls, das Trans*menschen als Rockabilly, -bella, Model, Mutter, Vater und alles dazwischen zu jeder Zeit überall teilnehmen und sich in allen Umkleidekabinen gleichzeitig umziehen oder auch von einer zur anderen wechseln dürfen. Hauptsache, sie sind tätowiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!