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Die WahrheitDeutscher Demokratischer Käse

Kolumne
von Elke Wittich

Er war beige-fahl und ohne Geschmack und durfte im Auto herumliegen. Es sollte ein Experiment mit unabsehbaren Folgen werden …

D ies ist die wahre Geschichte eines Stücks DDR-Käses. Sie endet tragisch.

Alles begann Mitte der achtziger Jahre auf einer Fahrt von Westdeutschland nach Westberlin in einer Mitropa-Gaststätte. Und mit klaren Ansagen: „Nein. Hamwernich!“ Keine Coca-Cola, keine Limo, kein Garnix. Aber Rhabarbersaft, der sei da.

Ähnlich war es beim Essen. Das meiste hörte sich merkwürdig an – Wellfleisch zum Beispiel. Was zur Hölle sollte das sein? Die egale Antwort des Servierpersonals „Na Wellfleisch eben“ half auch nicht weiter.

Blieb nur das, womit man eigentlich nichts falsch machen konnte: ein Käsebrot. Während das darunter liegende Brot so weit die Erwartungen erfüllte, erweckte der Käse – also die auf dem Brot grob gestückelten beige-fahlen Stücke – gleich Misstrauen. Das sich beim ersten Biss als gerechtfertigt herausstellte: Der Käse war im Prinzip ein Stück Hartplastik. Allerdings ohne Käsegeschmack.

In einem Mitroparestaurant eine höfliche Reaktion wie „Entschuldigung, möchten Sie etwas anderes haben?“ zu erwarten, war wohl etwas naiv. Wir schieden also in gegenseitiger Abneigung. Das größte Stück Käse aber, das kam mit und durfte fortan auf der Ablage ganz vorne im Auto wohnen. Wir wollten nämlich gucken, was mit ihm passierte. Würde es schimmeln? Explodieren? Sich verziehen, womöglich in Hammer-und-Zirkel-Form?

Nun: Außer real existieren tat der Käse nichts. Wirklich gar nichts. Er schwitzte selbst an heißesten Sommertagen nicht, er verzog sich nicht, er fror im Winter nicht ein und er setzte weder Schimmel noch irgendwelche Stockflecken an. Und so hätten wir miteinander alt werden können, der gelbe Audi, der DDR-Käse und wir, wenn nicht eines Tages der große TÜV-Termin angestanden hätte. Dazu fuhren wir zum Automechaniker unseres Vertrauens, der sich so leicht durch nichts aus der Ruhe bringen ließ. Der Mann, da waren wir ganz sicher, würde für die Plakette sorgen und alles würde gut werden.

„Jou“, sagte der Automechaniker einen Tag später, er habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute sei, dass der gelbe Audi tatsächlich mit einer TÜV-Plakette ausgezeichnet worden sei. Und die schlechte, dass die Sache etwas teurer würde, denn der Mann von der Prüfstelle sei halt sehr pingelig und da sei es unabdingbar gewesen, das Auto vorher sauberzumachen.

Das volle Ausmaß seiner Worte wurde erst auf dem Nachhauseweg klar, als sich das erste Triumpfgefühl gelegt hatte. Der Käse war verschwunden. Er war einfach weg. Was genau passiert war, haben wir nie herausbekommen. Einige Wochen später, als der tapfere gelbe Audi wieder mal eine Macke hatte, wurde er beim Automechaniker vorbeigefahren. Doch die Werkstatt war verrammelt. Es war niemand da. Schließlich kam eine Nachbarin und sagte: „Ja, wissen Sie das denn noch nicht? Der Automechaniker ist vor einigen Wochen gestorben. Einfach tot umgefallen. In seiner Werkstatt.“

War es die Rache des DDR-Käses? Wir sind dann nach Westberlin gezogen. Sicher ist sicher.

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