Die Wahrheit: Der Durchdurchblicker
Schurken, die die Welt beherrschen wollen: Heute Boris „Boris“ Palmer, der sein Niveau manchmal bewusst niedrig hält.
Nein, Boris Palmer ist kein Tausendsassa, nicht schnurgerade der Beste in jedem Fach. Er ist kein Genie, das auf allen Gebieten Vollgas gibt, und war kein Wunderkind, das schon mit fünf neue Wege für die Algebraisierung der Vektorrechnung fand – er war vier.
Es ist auch nur ein krummes Gerücht, dass er schon als Waldorfschüler Düsenflugzeuge konstruierte, während seine Altersgenossen noch Papierflieger falteten. Richtig ist, dass er damals längst den Pilotenschein besaß, weil ihn der Besuch des Kindergartens nicht ausgelastet hatte, wo er die Astronautenprüfung ablegte. Und dass er wenig später ein lichthelles Abitur mit der Durchschnittsnote 1,0 hinlegte, hat seinen Grund allein darin, dass er das Niveau seiner Klassenarbeiten bewusst niedrig hielt, damit die Lehrer ihm folgen konnten.
Böse Zungen behaupten, während seines Zivildienstes als Rettungssanitäter habe Boris Palmer die Verunglückten ohne Narkose in den Heilschlaf versetzt, indem er sie einfach über die Fehler einer chinesischen Max-Weber-Übersetzung unterrichtete oder ihnen einen Vortrag über zwölfdimensionale Mathematik und die Physik des nächstgelegenen Paralleluniversums hielt. Nichts davon ist wahr, die Mathematik zum Beispiel kennt viel mehr als zwölf Dimensionen. Dass er anschließend außer einem Auslandssemester in Sydney (Australien) in Harvard, Stanford und Princeton studiert habe, ist ebenso eine Verleumdung – was sollte er da? Die Professoren demütigen?
Weltpolitische Fehleinschätzungen
Und doch: Boris Palmer ist lange nicht der Klügste, den die Welt je gesehen hat – weil er ja von Tag zu Tag noch klüger wird! Das teilt der grüne Oberbürgermeister von Tübingen, der schon im Laufställchen seine Eltern auf ein Versehen bei der Berechnung des Haushaltsgelds oder auf weltpolitische Fehleinschätzungen aufmerksam machte, auch gern der Tübinger Bevölkerung und seinen Parteifreunden mit. Sobald er „liebe Leute“ sagt, wissen die Dummerchen, dass ihnen gleich sanft erklärt wird, wo es bei ihnen mal wieder hakt.
Da er alles weiß, weiß er allerdings auch, dass die anderen ihn nicht verstehen werden. Deshalb hält sich Palmer auch keine Berater, denn er würde sie beraten, und sie verstünden es ebenfalls nicht.
Übertroffen wird Boris Palmers Klugheit nur von Boris Palmer – und zwar von seiner über allen Zweifel thronenden Tugend. Der Musterknabe, der schon in der Schule es den Lehrern verwies, ungekämmt zum Unterricht zu erscheinen, pflegt heute, getarnt als harmloser Radfahrer, die Vorgärten in den ökologisch dressierten Stadtteilen zu kontrollieren und macht Subjekte, die ihr Auto falsch parken, persönlich auf ihr Fehlverhalten aufmerksam, indem er ein Beweisfoto ins Internet einrammt.
Bundeskanzler und Weltretter
Wäre also Boris Palmer, statt nur Tübingen in eine anständig gebürstete grüne Musterstadt umzufrisieren, in der lauter kleine Boris Palmers leben – genauso großartig wie er kann natürlich nur er sein –, wäre dieser Boris Palmer nicht als hochwertiger Bundeskanzler und Weltretter am rechten Platz?
Aber auf dem sitzt er längst. Er rief schon vor Jahren dazu auf, einen CDU-Politiker zum Stuttgarter OB zu erheben, und hupt für schwarz-grüne Bündnisse. Um es auf Punkt und Komma zu bringen: Boris Palmer verkörpert die Grünen in Bestform, denn wie die Partei ist er pluralistisch geworden, also offen für alles, was sich konservativ anfühlt. Die Ursache, die hiermit ausgebrütet und ventiliert wird: Boris Palmer kann den linken Daumen nicht vom rechten unterscheiden. Dass er die Hose schon mal falschrum trägt, jemanden braucht, der ihm die Schnürsenkel aufmacht, und zwei linke Hände, ja eigentlich vier linke Beine hat, soll hier allerdings als ebenso haltlose Unterstellung ungesagt bleiben. Ein Körnchen Wahrheit bleibt leider immer kleben!
Ebenso klar ist, dass dieser einem hohen journalistischen Ethos verpflichtete Text sich nicht in dünnen Spekulationen verheddern darf. Deshalb zurück zum nackten Boden der Tatsachen, wo Boris Palmer wohnt und verstanden hat: In der Realpolitik muss man Realpolitik treiben! Das heißt: Erstens, Boris Palmer ist kein Affe. Affen darf das Tübinger Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik deshalb verbiegen, ausbeulen und zerstückeln. Einzige Bedingung: Mitleid, und die erfüllte Boris Palmer in öffentlich abgeseilten Worten, ohne dass man ihn ausbeulen musste.
Mit dem Schießgewehr achtgeben
Zweitens, erst kommt die deutsche Bevölkerung, dann alle Menschen. Boris Palmer versteht nämlich die Angst des durchschnittlichen Tübinger Professors vor dem Elfmeter, den dunkle Flüchtlinge an seinen blond gewachsten Töchtern vollstrecken können könnten! Deshalb muss es Asylgrenzen geben und Beamte, die mit dem Schießgewehr achtgeben.
Boris Palmer ist eben ein mit der Zeit gereifter, moderner Grüner. Sichtbares Zeichen: Bei einer Kundgebung gegen Tierversuche hielt ihn jemand für einen AfD-Politiker und warf ihm einen fetten Stein an den Kopf, Palmer blieb unverletzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“