Die Wahrheit: Der neue Mann

Genderbalz: Wenn Väter sich heute demonstrativ um ihre Kinder „kümmern“, als wäre es eine emanzipatorische Heldentat.

Spaziergänger mit Kinderwagen im Park

Väterfreuden: ab in den Wald, eine rauchen und ein Bier. Foto: reuters

Mark Zuckerberg, Sigmar Gabriel, Nick Tschiller. So heißen die neuen Väter, die zurzeit gefeiert werden wie der Messias auf Speed. Und das nur, weil sie ihre Aufgabe nicht wie andere Väter darin beschränkt sehen, ihre Kinder zu heiß zu baden oder totzuschütteln, sondern sich konstruktiv an Pflege und Erziehung des Nachwuchses beteiligen.

Zuckerberg nimmt eine zweimonatige Elternzeit und postet eine vollgeschissene Windel. Eine Milliarde Däumchen gehen hoch. Gabriel bleibt zu Hause und pflegt seine kranke Tochter eine Woche lang mit Eierlikör. Selbst die hartgesottene Bild-Zeitung schluchzt vor Rührung. Nick Tschiller (was auch bloß ein Anagramm von Til Schrecklin ist) alias Til Schweiger lässt seine Tochter im „Tatort“ mitspielen, wenn die Mutter keine Zeit hat, sie an ihre Arbeitsstelle mitzunehmen. Die Quote ist ihm scheißegal – es ist ausschließlich das Kind, das zählt.

Allerdings verhält sich jeder gottverdammte Piepmatz so, ohne das laut durch Presse, Funk und Fernsehen zu tschilpen. Das Bohei, das Medien und Gesellschaft um eine Selbstverständlichkeit veranstalten, steht in keinem Verhältnis. Es ist fast so, als hätte sich nichts geändert seit den Tagen, da man schon froh sein musste, wenn der frischgebackene Vater das ihm in die Arme gedrückte Kind nicht einfach fallen ließ, weil er mit ihm nicht das Geringste anzufangen wusste. Ist ja schließlich kein Faustkeil, damit hätte er sich ausgekannt. Die Frau sorgt für Haus, Hof und Kind. Der Mann geht in den Wald und raucht. So will das Gott.

Natürlich ist es schön, in der „Tagesschau“ selbst einem wie Horst Seehofer dabei zuzusehen, wie er das fröhlich krähende Töchterlein in den aus dem Hirn des Bajuwarenfürsten ragenden letzten blanken Drähten schaukeln lässt, während der Papa „Politik“ macht, wie er es nennt. Doch die Hauptnachrichten sind der falsche Platz. Zu viele schlimme Dinge passieren sonst um uns herum.

Brav schiebt er den Buggy der Marke „Leopard II“

Nur das kümmert den neuen Mann wenig. Brav schiebt er den Buggy der Marke „Leopard II“ durch den Wald. In der einen Hand das Bier, in der anderen die Zigarette. Die Frau geht so lang arbeiten. Das ist für ihn okay. Es ist, als hätte sich im neuen Manne endlich die der Logik entsprungene Einsicht festgesetzt: „Wer Geschlechtsverkehr hatte, ohne seine 50 Euro im Voraus zu entrichten, bezahlt dann eben hinterher. Mit seiner Zeit, seiner Energie und mit seinem Geld, denn ungeschützt ist nun mal teurer.“

So fair ist er, der neue Mann. Fair und faul. Am häufigsten inszeniert derjenige die eigentlich nur billige Beteiligung an der Aufzucht als emanzipatorische Heldentat, der doch wie Gabriel bloß zu faul zum Arbeiten ist. Denn „fair is foul and foul is fair“, wie schon William Shakespeare wusste, der seiner Frau übrigens noch nicht mal die Tür aufhielt, wenn sie in jedem Arm vier Kinder trug und er nur in einer Hand eine fucking Schreibfeder. Im Gegenteil warf er ihr die Tür sogar noch direkt vor der vom chronischen Kindbettfieber gezeichneten Nase zu, drehte den Schlüssel zweimal im Schloss herum und schob den Riegel vor. Wumms.

Russlandfeldzug wegen Dackellähmung unterbrochen

Aber es gab auch früher schon andere, leuchtende Gegenbeispiele für Männer, die sich nicht nur nicht zu schade waren, bei der Brutpflege mit Hand anzulegen, sondern die darüber auch kein überflüssiges Wort verloren. Nehmen wir zum Beispiel Adolf Hitler. Anlässlich der Dackellähmung seines Sohnes Lutz unterbrach er sogar seinen Russlandfeldzug und eilte per Jagdbomber nach Berchtesgaden, um den Spross, dessen Existenz aus unerfindlichen Gründen heute noch immer gern unter den Tisch gekehrt wird, gesundzupflegen. In der Presse stand nichts davon, denn der Führer ging mit Privatangelegenheiten eben nicht hausieren, auch wenn es ihn im Nachhinein in einem weitaus besseren Licht dastehen ließe.

Nicht zu vergessen Queen Elizabeth II., die durch die Anstiftung zum Mord an Lady Diana ihren Sohn, den Prince of Wales, vor der Entfernung aus der Thronfolge bewahrte, die eine offizielle Trennung unweigerlich zur Folge gehabt hätte. Auch als De-facto-Mutter erwies sie sich in diesem Falle als moderner Vater.

Neue Einsicht: Wer Geschlechtsverkehr hat, muss bezahlen – entweder vorher oder hinterher

Oder Vader Abraham, der ohne zu zögern zu Hause blieb, nachdem seine hundert Schlümpfe über Nacht blau angelaufen waren. Und dann bis auf weiteres bei ihnen blieb, als sich ihr Zustand nicht entscheidend besserte. Das sind mal alles Leute, die einfach handeln und nicht quatschen. Wie viele mehr bräuchte man davon!

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.