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Die WahrheitInnerer Monolog innerer Mongolen

Kolumne
von Michael Ringel

Eine putzige Pressemitteilung vom Rand der bekannten Welt will eine Firma aus der Ziegenwolle-Industrie bekanntmachen – und schafft es!

D ie Innere Mongolei liegt bekanntlich am äußersten Arsch der Welt. Nur selten gerät die abseitige Provinz am Rande Chinas in den Blick der Weltöffentlichkeit, und dann wird sie meist auch noch mit der Äußeren Mongolei verwechselt, die ein eigenständiger Staat ist. Was also soll man tun als Innerer Mongole, wenn man plötzlich entdeckt, dass man in einer Disziplin eine weltweite Spitzenrolle einnimmt? Jubelnd durchs heimische Haus tanzen und sich einen Schlitz ins Kleid freuen?

Jedenfalls trötet man den Erfolg nicht mit der Angriffslust eines Dschingis Khan in die Welt hinaus. Nein, hier ist asiatische Zurückhaltung gefragt. Und so kam es offenbar zu der putzigen Pressemitteilung, die uns Mitte Januar erreichte: „Schanghai (ots/PRNewswire) – Am 28. Oktober 2015 erwähnte Prof. Hermann Simon, Autor des Buches ‚Hidden Champion‘ und deutscher Managementguru, Sand River auf dem von der China Europe International Business School (CEIBS) organisierten Global Management Festival mehrmals als einen der ‚Hidden Champions‘ der Branche für Kaschmirmode. Professor Simon studiert das Phänomen von ‚Hidden Champion‘-Unternehmen bereits seit vielen Jahren, und von ihm gelobt zu werden, ist sicherlich eine nennenswerte Errungenschaft.“

Eine „nennenswerte Errungenschaft“?! Wie bitte? Ein Satzwerk wie ein Wollknäuel. Das zu loben sicherlich schwerfällt. Zwar auf Deutsch verfasst, muss der Text erst einmal vom mongolischen Denken ins Deutliche übersetzt werden. Wort für Wort.

Es gibt offenbar einen „Managementguru“, der ist Deutscher und Verfasser mindestens eines Buches, in dem er auch den Begriff „Hidden Champion“ eingeführt hat. Was wörtlich übersetzt „Versteckter Meister“ heißt, vermutlich aber so viel bedeutet wie „Unerkannter Sieger“. Vor rund drei Monaten nun ist dieser Siegererklärer in Schanghai bei einer Konferenz aufgetreten und hat eine Firma namens Sand River aus der Inneren Mongolei bei einem Vortrag „mehrmals erwähnt“. Und diese Erwähnung als geheimer Gewinner in der „Branche für Kaschmirmode“ hat das Unternehmen derart in Verzückung versetzt, dass es jetzt, ein Vierteljahr später, dem deutschen Publikum diese „nennenswerte Errungenschaft“ unbedingt mitteilen möchte. Wie niedlich!

Über eine Autorität, die für den Kaschmirwolle-Hersteller ungefähr den Wert von Franz Beckenbauer und Angela Merkel zusammen zu haben scheint, tatsächlich jedoch hierzulande eine eher zu vernachlässigende Größe ist, will man die Firma in Deutschland bekannt machen. Und schafft genau das! Denn der Stolz über die Ernennung zum Sieger im Wettbewerbsfach Ziegenwolle hat die Inneren Mongolen einen inneren Monolog verfassen lassen, der so verschroben ist, dass er alle gewöhnlichen Reklameschreiben weithin überstrahlt.

Andere Werbefuzzis sollten daraus lernen, wie man eine exotische Randfirma weltberühmt macht. Und wer das nicht genauso hinbekommt, muss künftig Pullover statt Pressemitteilungen stricken.

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