Die Wahrheit: Imposante Möhre
Neues aus Neuseeland: Im Land der langen, weißen Wolke gibt es Sehenswürdigkeiten, die sich hinterm Eiffelturm nicht verstecken müssen.
E s ist Hochsommer, die Touristen stromern durchs Land. Wir wollen sie nicht enttäuschen. Aber außer Natur und netten Menschen haben wir hier nicht viel zu bieten. Zum Glück haben die Kiwis ein paar Sehenswürdigkeiten errichtet, die die Besucher kurz aus all der grünen Langeweile reißen und die Einheimischen mit Stolz erfüllen.
Die Giganten unter den touristischen Highlights zieren die Agrarlandschaft Aotearoas so imposant wie der Eiffelturm Paris. Wie beim Vieh geht auch hier alles nach der Größe: Fangen wir mit der 13 Meter hohen Obstskulptur in Cromwell an. Seit seiner Entstehung im Jahre 1990 ist das Monument so beliebt, dass der Birne, dem Apfel, der Nektarine und der Aprikose noch mehr Frucht zugefügt werden soll. Nur der Reiseführer „Lonely Planet“ bezeichnete es als „spektakulär hässlichen Obstsalat“. Pfui!
In die gleiche künstlerische Kategorie fällt die Riesenmöhre (7,5 Meter) in Ohakune, die ebenfalls beantwortet, was man in der Gegend erwirtschaftet. „Big Carrot“ wirkt auf einige Betrachter jedoch zu phallisch. Das hat sie gemein mit der acht Meter großen Limonadenflasche der Marke „L&P“, die in Paeroa thront. Sie entstand 1967 aus einer Rakete, die für die Weihnachtsparade gebastelt worden war. Bestes Recycling!
Die gottverlassene Ortschaft Gore auf der Südinsel zog 1989 mit einer Riesenforelle nach. Nicht weit davon, im Wollgeschäft von Geraldine, hängt der größte Strickpulli der Welt, zertifiziert vom Guinness-Buch der Rekorde. Wen das nicht beeindruckt, der kann gen Westen fahren und sich im „größten Socken-Shop der Welt“ in Hokitika verlieren. Auf dem Weg kommt der Reisende an einem Zaun nahe Wanaka vorbei, wo Frauen ihre BHs im Wind flattern lassen.
Unvergessliche Urlaubsmomente warten tief im Süden. Die gerade mal 1.500 Bewohner von Waikata errichteten aus 20.000 leeren Weinflaschen das „Bottle House“, architektonisch eindeutig inspiriert von der „L&P“-Flasche. Wem da das Spirituelle fehlt, dem bleibt das nachgebaute „Stonehenge Aotearoa“ in Carterton. Der Kommentar des „Lonely Planet“ muss hier nicht wiederholt werden.
Kiwis sind keineswegs Kulturbanausen. Statt Gemüse, Fisch oder Wolle ist in Hamilton die Figur Riff Raff aus der „Rocky Horror Picture Show“ in einer Bronzestatue verewigt. Denn Schauspieler Richard O’Brien wuchs in Hamilton auf, das hat man ihm nie vergessen. Und wer im Dezember durch Kurow fährt, sieht dort die jeweils aktuelle „Heuballen-Familie“ ausgestellt: Mal als Minions aus dem Film „Despicable Me“ verkleidet, mal als die Simpsons. Letztere haben auch ihre Spuren in Springfield nahe Christchurch hinterlassen – in Form eines überdimensionalen Donuts.
Was hilft, um all die vielfältigen Eindrücke zu bewältigen? Wohl nur das Cannabis-Museum in Dunedin, auch als „Dunsterdam: das Amsterdam des Südpazifiks“ bekannt. Und dann alles wieder ausscheiden in den öffentlichen Toiletten von Kawakawa. Die hat Friedensreich Hundertwasser ganz in Mosaik dekoriert.
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