Die Wahrheit: Waxing am Schlagloch
Taxifahrt mit Pediküre: Die neuen Kombi-Dienste der Online-Mitfahrvermittlung Uber erfüllen jeden Servicewunsch.
Eine Taxifahrt, bei der man unterwegs steuerlich beraten wird und gleichzeitig eine Pediküre genießt – wer wünscht sich das nicht? Dieser alte Menschheitstraum wird nun wahr, denn der Online-Mitfahrgelegenheitsvermittler Uber fährt auf ein neues Geschäftsfeld. Nachdem das Unternehmen die Mobilität revolutioniert hat, schickt es sich an, die Dienstleistungslandschaft zu verändern. Die Idee: Zusammen mit der Fahrt werden weitere Services im Kombi-Paket angeboten.
Den Anfang machte ein Uber-Lizenznehmer aus Houston, Texas, der seinen beiden Brüdern erlaubte, ihre Dienste in seinem Auto anzubieten. Während seine Fahrgäste zu ihrem Ziel transportiert wurden, bekamen sie im Hotdog-Stand auf dem Beifahrersitz eine schnelle Mahlzeit zubereitet – zugleich konnten sie an einem Dynamic Tactical Shooting Training teilnehmen und Fahrradkurieren aus dem offenen Fenster hinaus die Reifen zerschießen. Ein Angebot, das auf lebhaftes Interesse stieß.
Pakete für alle Lebensbereiche
Die Geschäftsidee verbreitet sich rasend schnell, denn ihre Vorteile liegen auf der Hand. Durch das gebündelte Service-Package sparen die Kunden wertvolle Zeit, die sie viel gewinnbringender für das Betrachten von Werbeangeboten auf dem Smartphone nutzen können, und außerdem profitieren sie von den günstigen Bundle-Preisen. Die Anbieter haben ebenfalls beträchtliche Vorteile, denn als ohnehin prekäre Freiberufler sparen sie sich Arbeitsstättenmiete und Aufwendungen für die Kundenakquisition.
Mittlerweile hat sich eine Angebotsvielfalt mit Paketen für alle Lebensbereiche entwickelt. Besonders beliebt sind derzeit Wellness-Offerten wie das „Spa-Special“. Der Unterwegs-Verwöhn-Service umfasst eine Hot-Stone-Massage mit Steinen, die am Zigarettenanzünder aufgeheizt werden, Gesichts-Solarium per UV-Lampe in der Innenleuchte sowie die Quick-Sauna (Plastikoverall bei aufgedrehter Heizung).
Etwas spezieller in der Zielgruppenansprache ist das Beauty-Package „Mandy“ mit Metallic-Nageldesign, Strähnchenblondieren und Brasilian Waxing. Bei Letzterem kann es allerdings schon mal vorkommen, dass sich die Enthaarungsfachkraft beim Überfahren von Schlaglöchern ein wenig verwachst. Ein Tattoo- und Piercingtaxi dagegen greift die schlechte Fahrbahn ganz spielerisch auf. Mit dem rappeligen Wagen werden gezielt Kopfsteinpflasterstraßen befahren, die der Tätowiernadel spontane Auflockerungen in der Strichführung verleihen und die Piercing-Löcher an überraschende Körperstellen versetzen. Name des Dienstes „Tat-Tat-Too & Pea-Pea-Pearcing“.
Chinesisch im Bentley
Während sie sich auf der Straße den Körper verschönern lassen, nutzen viele Frauen mit Nachwuchs die mobile Kinderbetreuung. Neben „Kids on Wheels“-Angeboten für Normalverdiener gibt es mittlerweile auch das „Premium-Child-Package“: Während der Fahrt im Bentley erhält das Kind Geigenunterricht, Früh-Chinesisch sowie den „Kurzlehrgang Börsenkurs-Manipulation“. Möglicherweise wird diese Kombi bald eingestellt, da viele Fahrer über die geigenbedingt hohen nervlichen Belastungen klagen.
Mit geringerem Aufwand und mehr Konzentration auf die feinstofflichen Werte lockt das Esoterik-Bundle „Astro on Tour“ seine Kundinnen. Der Clou: Statt von einem Navigationsgerät wird der Straßenverlauf von einer Wahrsagerin vorausgesagt, die sich auf die subtilen Leitschwingungen des Universums verlässt. Besonders beliebt ist die optional angebotene „Horoscopic Mobile Star Observation“, eine Nachtfahrt mit offenem Schiebedach. Kleines, aber entscheidendes Detail am Rande – die Autoreifen sind mit dem aufpreispflichtigen „Atem des Pharao“ gefüllt.
Ein Service wie in der DDR
Eine rein deutsche Spezialität ist das „Fahrende Ostpaket“ im Trabant 601s, der stets von einem echten Träger des Ehrentitels „Held der Arbeit“ gesteuert wird, oft ein ehemaliger Traktorist. Nach dem Begrüßungssekt Marke „Volksperle“ wird auch gleich der nächste authentische Genuss kredenzt, eine Tasse echter Bohnenkaffee aus dem Westpaket, gefiltert durch einen 89er Original-Damenstrumpf des VEB Sachsenzwickel. Die Fahrten werden gern für Geschäftsbesprechungen gebucht, da im Kofferraum immer eine Ex-Stasimitarbeiterin kauert, die jedes Gespräch mitstenografiert und die Protokolle gegen Devisen zum Verkauf anbietet.
Momentan lässt sich ein Trend beobachten, der in die Zukunft weisen könnte. Bei Menschen, die nirgendwo hin müssen, wird das Taxi während der Dienstleistungen einfach auf einem großen Parkplatz abgestellt. Und mit der wachsenden Verkehrsdichte werden möglicherweise immer mehr mobile Services stationär angeboten. Diese vollkommen neuartige Idee trägt den Arbeitstitel „Ladengeschäft“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen