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Die WahrheitDer homosexuelle Mann ...

Kolumne
von Elmar Kraushaar

... wird auch im neuen Positionspapier der CDU nicht als Mitglied einer relevanten Zielgruppe gesehen. Das Wegschauen hat Tradition in der Partei.

hat in der Zukunft der CDU nichts verloren. Im aktuellen Positionspapier „Meine CDU 2017“ sind die Zielgruppen benannt, um die man sich verstärkt kümmern will: Frauen, junge Menschen und solche mit Migrationshintergrund. Schließlich muss sich die Partei modernisieren, will sie den Mitgliederschwund stoppen und wieder Fuß fassen in den Großstädten. Lesben und Schwule kommen in diesem Szenario nicht vor.

Die Hasenfüßigkeit der Partei hat Geschichte. Als der Schweizer Schauspieler und Schriftsteller Alexander Ziegler, seinerzeit Chefredakteur des Schwulenmagazins du&ich, im Juli 1975 bei der CDU nachfragte, wie sie es denn mit Homosexuellen in der Partei halte, antwortete der damalige Parteichef Helmut Kohl: „Ich kann Ihnen versichern, daß kein Politiker der CDU aufgrund seiner privaten Neigungen diskriminiert oder benachteiligt wird.“ Die freundliche Absichtserklärung musste sich freilich nicht beweisen, es dauerte noch mehr als zwanzig Jahre, bis erstmals ein CDU-Mann öffentlich über sein Sosein sprach, und eine effektive Homo-Politik der Partei ist bis heute nicht bekannt.

Ziegler hatte sich nicht ohne Grund mit seiner kecken Frage an die CDU gewandt: In seinem kurz zuvor veröffentlichten Roman „Die Konsequenz“ kam auch ein gewisser Clemens Krauthagen vor, Abgeordneter der CDU, verheiratet und stockschwul. Daraufhin wandte sich ein wirklicher Abgeordneter an Ziegler und beklagte sich darüber, dass er in dem Buch nur unzureichend verschlüsselt und leicht identifizierbar sei. „Der Skandal, der daraus unweigerlich entstehen dürfte, muss verhindert werden, vor allem meiner Gattin und der Partei wegen“, schrieb alias Krauthagen an Ziegler und forderte ihn auf, die Erstauflage zu vernichten, er käme für die Kosten auf. Weiterhin sei er bereit, 50.000 Mark zu zahlen, wenn Ziegler bei einer Neuauflage auf die ihn betreffenden Stellen ganz verzichten würde. Ein ziemlicher Batzen Bares für ein bisschen guten Ruf.

Ziegler verzichtete, machte den ganzen Vorgang öffentlich und ließ den anonymen Abgeordneten in seinem Magazin ausführlich zu Wort kommen. „Ich bin niemandem gegenüber verpflichtet, Rechenschaft über mein Privatleben abzulegen“, gab der zu Protokoll, versicherte aber: „Herr Kohl hat bestimmt nichts gegen Homosexuelle […]und auch der Großteil meiner Parteifreunde kennt gegenüber dem Homophilen keine Vorurteile.“ Und außerdem: „Jeder Mensch, auch der Homosexuelle, kann, wenn er sich ehrlich darum bemüht, auf seine Weise glücklich werden.“

Die Mainstream-Medien wurden auf Krauthagen aufmerksam, der Stern enthüllte ihn als ehrenwerten Hamburger Bürger, ohne seinen Namen zu nennen. Auch die Bild-Zeitung enttarnte ihn nicht, weil es sich bei ihm um einen Mann „aus dem eigenen Lager“ handele, wie Ziegler mutmaßte. Seitdem konnten noch viele CDU’ler auf diese Weise glücklich werden: im Versteck und gesichts- und namenlos. Selbst die aufgehübschte Partei will es künftig weiterhin so und nicht anders.

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