Die Wahrheit: Abi futschikato?
Im amerikanischen Exil wird Karl-Theodor zu Guttenberg von seiner allerneuesten Plagiatsaffäre eingeholt.

Karl-Theodor zu Guttenberg und kein Ende: Nach dem Befreiungsschlag, mit dem er sich im Frühjahr 2011 von seiner Amtsbürde als Verteidigungsminister getrennt hat, droht ihm nun abermals Ungemach. Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautet, soll es auch bei seinem Abitur zu "massiven Unregelmäßigkeiten" gekommen sein.
Die Reifeprüfung legte Guttenberg 1991 am traditionsreichen Ignaz-Günther-Gymnasium im oberbayrischen Rosenheim ab. "Wir hatten beide Leistungskurs Geschichte", sagt Henning Voßkuhl, 41, ein ehemaliger Mitschüler des gestrauchelten Freiherrn.
"Das Thema in der schriftlichen Prüfung war die Rezeption der Schriften Thomas von Aquins in der spanischen Spätscholastik. Und olle Guttenberg, na ja, der hat sich nicht allein auf Spickzettel verlassen. Der hat sich vielmehr zwischendurch vom Waschraum aus per Walkie-Talkie mit einem Komplizen in der Stadtbücherei beraten. Und abgeschrieben hat er außerdem! Und zwar bei der Pfannleitner Vroni. Jawohl! Ich habs genau gesehen!"
Die Spur führt nach Augsburg. Dort betreibt Veronika Lotze, geb. Pfannleitner, seit 1996 ein florierendes Nagelstudio, und sie kann sich noch gut an alles erinnern: "I wollt ja zerscht net, weil, wenn das aufgflogen wär, dann hätt i doch aa in der Bredullje gsessen. Aber der Karl-Theodor hott mir versprochen, dass er mei Ausbüidung an der Landfrauenschul finanziert, wenn i ihn abschreibn loss, und da hob i mi ehmd dazu breitgfunden. Und nachad, moan S, der hätt sei Wort ghalten? Nix! Ausglacht hatt er mi, der Haderlump, der miserablige!"
Doch wo befinden sich diese schriftlichen Arbeiten heute? Hans-Werner Johansen, der Leitende Archivar des bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, weiß die Antwort: "Hier."
Mit einer Geste, in der ein gewisser Besitzerstolz mitschwingt, deutet er auf einen kleinen, mahagonigetäfelten Giftschrank und entnimmt ihm einen Stoß Papiere. "Das hier ist die Arbeit von Herrn zu Guttenberg. Und das hier die von der Frau Pfannleitner. Bitte sehr."
Beim Textvergleich treten gewisse Ähnlichkeiten hervor. Pfannleitner: "Thomas von Aquins grundlegende Idee ist die transzendentale Teleologie und Zuordnung des gesamten Schöpfungs- und Weltprozesses auf Gott als deren immanente und transzendente Wirkursache."
Guttenberg: "Thomas von Aquins grundlegende Idee ist die transzendentale Teleologie und Zuordnung des gesamten Schöpfungs- und Weltprozesses auf Gott als deren immanente und transzendente Wirkursache."
Zweites Beispiel. Pfannleitner: "In seiner Metaphysik schied Thomas Sein und Seiendes, Materie und Form, Potenz und Akt sowie Wesen und Dasein." Guttenberg: "In seiner Metaphysik schied Thomas Sein und Seiendes, Materie und Form, Potenz und Akt sowie Wesen und Dasein."
Drittes und letztes Beispiel. Pfannleitner: "Unter Spaniens Sonne stieß diese Lehre auf offene Ohren." Guttenberg: "Unter Spaniens Sonne stieß diese Lehre auf offene Ohren." Und dennoch hat Guttenberg für diese Arbeit 15 Punkte erhalten, während Veronika Pfannleitner nur 7 Punkte zugestanden worden sind.
Für Herbert Pirkl, den Direktor des Rosenheimer Ignaz-Günther-Gymnasiums, gibt es "überhaupt keinen Zweifel" daran, "dass hier Handlungsbedarf besteht. Wenn sich herausstellen sollte, dass Herr zu Guttenberg sich auch sein Abitur erschwindelt hat, dann muss es ihm entzogen werden. Die Richtlinien sprechen da eine ganz klare Sprache."
Zur Stunde untersucht ein zehnköpfiges Sondergremium des Kultusministeriums den Fall. Nach Auskunft der Landesregierung ist für kommenden Dienstag eine Entscheidung zu erwarten.
Für den Pechvogel Guttenberg, der längst mit seiner Familie ins amerikanische Exil geflohen ist, kommt es indessen noch ärger, denn inzwischen mehren sich die Stimmen derer, die auch die Echtheit seiner Geburtsurkunde bezweifeln. Wird ein Tintentest die Wahrheit ans Licht bringen? Die Spannung steigt.
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