Die Wahrheit: Brennende Biere
Schwabinger Krawall extra: Gläserne Gedanken über Griechenland.
Griechenland, sagt Herr Kellermann, hebt das Glas, trinkt es leer und bestellt ein neues. Griechenland, sagt er, nimmt einen kräftigen Schluck, setzt das Glas ab und betrachtet es mit einem langen, meditativen Blick. Zu Griechenland, sagt er, sei alles gesagt. Ein Land, dessen Bürger den ganzen Tag auf irgendeiner Piazza herumsitzen, Ćevapčići essen und Siesta halten, habe in dieser EWG nichts verloren, zumal wenn durch deren Faulheit das wenige Geld in seiner Tasche immer weniger werde.
Da bringe er einiges durcheinander, sagt der insolvente Bauunternehmer Hieronymus Herrnberger am Nebentisch. Leistungswillige Menschen gebe es in Griechenland durchaus, nur werde deren Leistungsbereitschaft durch die hohen Steuern im Keim erstickt, ebenso wie in Deutschland, wo man nun sogar die Vermögen besteuern wolle, was aber glücklicherweise verfassungsfeindlich sei, weil ein Vermögen ja bereits bei seiner Bildung versteuert worden sei.
Er, sagt Herr Kellermann, zahle auf seine Einnahmen auch Lohnsteuer, somit sei es ebenfalls verfassungsfeindlich, wenn er ein Vermögen überhaupt nicht bilden könne, weil ihm bei jedem Bier und jeder Zigarette sein Geld ein zweites Mal weggesteuert werde, zumal es sowieso immer weniger wert werde, weil neben dem Griechen auch der Spanier, der Ire, der Italiener und sowieso der Jugoslawe ein stinkfaules Pack seien.
Herr Hammler, der zwei Tische weiter vor seiner Zeitung sitzt, wirft ein, er solle den Japaner nicht vergessen, der nicht mal ein anständiges Atomkraftwerk bauen könne, weil er das ganze Jahr Urlaub mache und mit seinem Fotoapparat zwischen Marienplatz und Chinesischem Turm hin und her rase.
Ein der Laufkundschaft zuzurechnender Zufallsgast im Anzug meint, der europäische Gedanke bräuchte vor allem „das Vertrauen der Märkte“, woraufhin sich Herr Kellermann vom Tisch erhebt und ruft, bedingungslos vertrauen könne er nicht einmal dem Elisabethmarkt.
Der Stammtisch der kommunistischen Altstudenten und Taxifahrer unterbricht seine Schafkopfrunde, um ihn zu belehren, dieser Markt sei nur ein abstrakter Propagandabegriff, was Herrn Kellermann nicht besänftigt. Bevor er sein Geld irgendeinem abstrakten griechischen Picasso ins Maul werfe, brüllt er, werde er seinen letzten Fünfzigeuroschein lieber verbrennen.
Der Wirt, bemüht, die Situation mit einem Witz aufzulockern, meint, dann werde Herr Kellermann zur Bezahlung seiner sechs Bier wohl den europäischen Rettungsschirm anrufen müssen, aber Herr Kellermann brüllt, er könne ihm mit seiner Zeche auf den Hut steigen, und als ihm Hieronymus Herrnberger lautstark beipflichtet, er bezahle da sowieso kein Bier, sondern ausschließlich unverschämte Steuern, und der Zufallsgast beschwichtigend einwendet, Geld zu vernichten sei eine Straftat, platzt Herrn Kellermann endgültig der Kragen.
Er steigt auf den Tisch, zückt Fünfziger und Feuerzeug und schreitet zur Tat, wobei er jedoch lediglich seinen Hemdsärmel in Brand setzt und in Panik gerät, als das Feuer durch wildes Wedeln nicht zu löschen ist, aus dem Lokal auf die Straße rennt, sich vor den Augen sämtlicher mitgerannter Gäste schreiend am Boden wälzt und erst beruhigt, als ihn der Wirt des benachbarten griechischen Restaurants „Dionysos“ mit einem gezielten Kübel Wasser löscht.
Das, berichtet Herr Hammler beim Frühstück seiner Frau, sei gerade noch einmal gut gegangen. Andererseits finde er es im Nachhinein etwas unklug von dem griechischen Wirt, Herrn Kellermann zum Trost sechs Ouzo zu spendieren und ihn für einen beliebigen Tag in sein Lokal zum Essen einzuladen. Denn so, sagt er, komme der ja nie auf einen grünen Zweig.
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