Die Wahrheit: Ärger-Oscar für Kiwis
Neues aus Neuseeland: Geschichtsfälschung, verletzte Ehre und ein Hollywood-Thriller sorgen in Aotearoa auf höchster Staatsebene für Verschnupfung.
D iplomaten aller Länder, vertragt euch! Dramatische Verstrickungen in Persien haben dank Hollywood 34 Jahre später zu Verschnupfungen in Aotearoa geführt. Denn über den „Best Picture“-Oscar für „Argo“ können sich die Kiwis gar nicht freuen. Es geht um Geschichtsfälschung, um die Ehre, um Lammfleisch und irgendwie auch um den „Hobbit“ – und das auf höchster Staatsebene.
Ben Afflecks hochgelobter Politthriller über sechs amerikanische Geiseln während der Revolution in Teheran basiert auf historischen Tatsachen. „Daumen runter“, hieß es dagegen ganz offiziell in Auckland – aber nicht, weil die CIA so verklärt wurde. Premierminister John Key drückte seinen Missmut aus: „Es ist etwas enttäuschend.“ Seinem Land sei Unrecht getan worden.
Das Vergehen der Drehbuchschreiber: Sie haben sich einfach was ausgedacht. In „Argo“ suchen die US-Diplomaten, deren Botschaft gestürmt wurde, Unterschlupf bei anderen westlichen Vertretungen und werden unter anderem auch von den Neuseeländern abgewiesen. Der kanadische Botschafter Ken Taylor nimmt sie auf und die dramatische Rettung damit ihren Lauf. So weit, so gut, so Hollywood – nur war die Wirklichkeit etwas anders als auf der Leinwand. Wer hätte das gedacht.
Den Neuseeländern waren ökonomisch die Hände gebunden. Der Grund: Iran war ihr größter Abnehmer für exportiertes Lammfleisch. Dennoch machte sich der damalige Botschafter auf, besuchte die Geiseln und besorgte sogar ein Haus für sie, falls es bei den Kanadiern zu brenzlig geworden wäre. Ken Taylor bestätigte den filmischen Fauxpas letzte Woche: Er habe „herausragende Unterstützung“ von den Kiwi-Kollegen gehabt und sorge sich über diese Geschichtsfälschung. „Filme hinterlassen einen bleibenden Eindruck.“ Er wolle dazu in Ottawa eine Pressekonferenz geben.
Die kanadisch-kiwianische Empörung ließ auch Ben Affleck nicht kalt. Er betonte vor Kameras, dass er Neuseeland und seine Menschen „liebe“, aber „kreative Entscheidungen“ treffen musste. Es sei „kompliziert“ und ginge um die „grundlegende Wahrheit“ der Filmhandlung.
Die verletzte Ehre der Kiwis ist damit nur eine Fußnote am Rande. Dass der Premierminister darauf so angefasst reagiert hat, wird ihm jetzt wiederum im eigenen Land vorgeworfen. Es würde dadurch verdammt klein, empfindlich und nabelfixiert aussehen. Andere vermuten hinter Keys Äußerung reine Politik: Hat er nicht für die Filmproduzenten des „Hobbit“ die Steuergesetze ausgehebelt und den Ausverkauf Aotearoas vorangetrieben? Ha, und jetzt will er zeigen, dass er Hollywood doch die Stirn bieten kann. Alles Taktik.
Bleibt abzuwarten, ob nicht auch die Australier sauer werden, nachdem „Searching for Sugar Man“ einen Oscar gewonnen hat. Der Skandal: In dem Dokumentarfilm wird verschwiegen, dass der verschollen geglaubte Musiker Rodriguez in den achtziger Jahren durch Australien tourte – was seine Wiederauferstehung in Südafrika etwas unspektakulärer macht. In Canberra laufen sicher schon die Depeschen gen Washington heiß.
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