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Die WahrheitAuf dem Flugfeld

Kolumne
von Eugen Egner

Wind aus Nordost war zu hören und entferntes Bellen eines Hundes. Ich staunte beim Anblick des alten, trümmerübersäten Flugfelds.

M ir fiel nichts anderes ein, deshalb begab ich mich zur Flugschule. Heute fragt man mich, wie ich dorthin gelangte: Durch eine Handbewegung? Mit einer Art Steuerrad? Hatte ich Helfer, die sich zum Beispiel an den Scheinwerfern meines Fahrzeugs zu schaffen machten? Oder ritt ich, elegant im Sattel sitzend? Kam ich mit einem dumpfen Knall an? Die Antwort lautet: Ich weiß es nicht mehr.

Das letzte Tageslicht versickerte in der Tiefe. Wind aus Nordost war zu hören und entferntes Bellen eines Hundes. Ich staunte beim Anblick des alten, trümmerübersäten Flugfelds. Hier waren zahllose Flugschüler angetreten, um sich mit im Unterricht selbst gebauten Flugmaschinen in die Luft zu schwingen. Die Lebensdauer ihrer Versuche hatte sich jedoch als gering erwiesen. In der Höhe hatten sie die Ausläufer der Atmosphäre zu spüren bekommen und wegen des Luftwiderstands nach wenigen Minuten alle Geschwindigkeit eingebüßt. Wie Meteore waren sie in rasendem Sturz, noch bevor sie in der Luft verbrennen konnten, auf dem Feld niedergegangen. Ihre Form war dadurch stark beeinflusst worden.

Es mutete geradezu wunderbar an, dass anscheinend nie ein Flugzeug das Schulgebäude getroffen hatte. Jedenfalls war es noch im ursprünglichen Bauzustand von 1946, wie ich erkennen konnte. Flugschulen lassen sich beliebig gestalten, diese hier war einstöckig und besaß keinen Glocken- oder Aussichtsturm. Im Vergleich mit der Blockstelle wirkte sie geradezu unwichtig.

Wenn ich nun den Eindruck erwecken wollte, ich sei ein Gesandter der Oberen Flugbehörde, musste ich hingehen und mich beim Fluglehrer melden. Als ich mich dem Gebäude näherte, gewahrte ich mit einem beiläufigen Seitenblick in etwa dreißig Metern Entfernung eine Vogelscheuche auf dem Flugfeld. Mir war, als ob sie sich bewegte, indes blieb mir keine Zeit zur Überprüfung dieses Eindrucks, schon hatte ich den Eingang erreicht und klingelte. Zunächst geschah nichts, doch gerade rechtzeitig, bevor ich einschlafen konnte, wurde die Tür einen Spalt breit geöffnet. Eine, wie ich leider sagen muss, wenig sympathische Frau unbestimmbaren Alters sah misstrauisch heraus und fragte, was ich wolle. Ich stellte mich vor und sagte, dass ich im Auftrag meiner Behörde den Fluglehrer zu sprechen wünsche.

„Der Fluglehrer ist tot“, versetzte die Frau. Einigermaßen bestürzt fragte ich: „Und was ist dann mit den Flugschülern und ihrer Macht? Und ihrer Schuld?“ – „Da müssen Sie den da fragen“, erwiderte die Frau resigniert. Sie zeigte auf die Vogelscheuche. „Das ist keine Vogelscheuche“, erklärte sie mir, „sondern ein irrer Engel.“

Ein irrer Engel – das war eine Idee wie von Brahms! Trotzdem wollte ich mir diesen „Engel“ einmal aus der Nähe ansehen. Ich verabschiedete mich und ging zum Flugfeld. Die Gestalt machte nun nicht mehr den Eindruck einer Vogelscheuche. Sie ging langsam auf und ab wie jemand, der auf einen Bus wartet. Von mir nahm sie keine Notiz. Flügel hatte der falsche Engel nicht, und bald konnte ich hören, wie er das Kleine Einmaleins memorierte.

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