Die Wahrheit: Où est la famille Leroc?

Das Mysterium einer französischen Schulbuchsippe ist eines der letzten großen und ungeklärten Rätsel aus der Schulzeit.

Schulbuchmäßiges Leben wie Gott in Frankreich wird am Nationalfeiertag unterm Eiffelturm geboten. Bild: reuters

Multikulturelle Fragen, über die es nachzudenken lohnt, gibt es ja bekanntlich allenthalben. Und in Zeiten der Globalisierung werden die entsprechenden Listen täglich gnadenlos um frische weltumspannende Missstände und sonstige Unzulänglichkeiten erweitert. Doch eine der vielleicht notwendigsten Fragen unserer Tage scheint nach wie vor gänzlich unbeantwortet: Was wurde eigentlich aus der famille Leroc?

Ein kulturhistorisches Rätsel, das sich jedoch auch an dieser Stelle nur schwer lösen lassen dürfte. Daher scheint es nur umso dringlicher, auch die Jüngeren mit in das Mysterium einzubeziehen, auf dass die Angelegenheit vielleicht doch noch aufzuklären ist. Oder die geheimnisvolle Sippe zumindest nicht komplett in Vergessenheit gerät. Zur Erinnerung und was bisher geschah:

La famille Leroc war die französische Schulbuch-Familie anhand deren, zugegeben reichlich schäbigen Alltagserlebnissen die Französisch-Schüler in den frühen achtziger Jahren die Grundkenntnisse jener lustigen Sprache erwerben sollten. Besagte Familie bestand aus den weitgehend vornamenlosen Madame und Monsieur Leroc und ihren beiden Plagen Monique et Daniel sowie irgendeinem räudigen chien, dessen Name seit jenen Tagen selbst den entsprechenden Fachkräften nicht mehr geläufig ist, der aber mit Sicherheit Gaston, Filou oder Adolphe lautete.

Während Monsieur Leroc den lieben langen Tag au bureau verschleuderte, verbrachte Madame ihre Zeit vorzugsweise mit dem Blättern in Modemagazinen und der anfallenden Hausarbeit. Doch auch Monique et Daniel führten ein eher übersichtliches Leben. Kaum von der école zu Hause, galt es sofort copains zu treffen und dann ab ins piscine, wo es mit Sicherheit Arschbomben vom Dreier nur so hagelte. Die absoluten Lieblingsbeschäftigungen der beiden Leroc-Sprösslinge waren aber in jedem Fall – gleichermaßen ortsungebunden wie wetterunabhängig – jouer de ping-pong und vor allem ecouter de musique pop. Egal ob im piscine, im chambre oder dans la discotheque.

Ob allerdings Daniel im erstgenannten Areal auch heimlich der Beschäftigung des gucker de popos féminine nachging, oder Monique ihrerseits im Verborgenen kicherer de jungs praktizierte, ließ das Lehrbuch freilich offen.

Das Aufregendste passierte jedoch trotzdem Daniel, als er sich einmal – warum auch immer – in einem camion versteckte, der ihn dann schnurstracks nach Montpellier verfrachtete, wo ihn sein Vater Monsieur Leroc ziemlich angepisst mit dem voiture wieder abholen musste.

Welcher Teufel Daniel da allerdings geritten hatte, blieb jedoch damals im Lehrmaterial ebenso unbeachtet wie die traurige Tatsache, dass Monsieur Leroc, ob seines jämmerlichen Daseins, wahrscheinlich nur allzu froh darüber war, wenigstens für ein paar Stunden einmal Teile seiner tristen Sippschaft hinter sich zu lassen. Et ob Daniel et son pére in Montpellier vielleicht sogar ordentlich einen draufgemacht haben, bleibt ebenfalls stark zu bezweifeln.

Was aber, und damit stellt sich wieder die Eingangs- beziehungsweise Ausgangsfrage, mag wohl aus jener famille autistique und da speziell den enfants geworden sein? Haben Monique oder Daniel tatsächlich den Sprung in die Tischtennis-Weltelite geschafft? Arbeiten sie bei einem Radiosender oder als DJs, ihre langjährige ecouter-de-musique-pop-Erfahrung professionell zu nutzen? Oder wurde dem Familienrebellen Daniel gar seine geheime Leidenschaft des jugendlichen fumer zum Verhängnis, denn wahrscheinlich wurde ihm, genau wie den jungen Menschen hierzulande, diesbezüglich auch en france, mit einem derartigen Laster zielsicher ein frühzeitiges Lebensende au bahnhofsklo prophezeit.

Mais – man weiß es nicht. Und so bleibt ein großes Rätsel auch weiterhin unbeantwortet.

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