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Die WahrheitNur ein Schnitzel

Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Heute darf sich die Leserschaft an einem Poem über einen hungrigen Weihnachtsmarktbesucher erfreuen.

Fast ein Schnitzel. Bild: reuters

Kurz vor dem Fest noch in die Stadt zu laufen.

Was habe ich mir bloß dabei gedacht?

Ich wollte nur ein kleines Schnitzel kaufen.

Jetzt dröhnt der Schädel mir: Sti-hille Nacht!

Mein Lieblingsschlachter ist ja an der Ecke

gleich hinterm Rathaus, zwischen C&A und Christ.

Normalerweise brauch ich für die Strecke

knapp zehn Minuten, aber heute ist

das anders. Eine Kaufrauschwelle wühlt sich

breit durch den lichtgesäumten Straßenschacht.

Ich will zum Schlachter. Doch die Flut, sie spült mich

erst mal zu Deichmann hin und dann mit Macht

gleich zu Thalia. Ich will Schnitzel kaufen!

Schon wogt’s zu Karstadt rüber, und es zwängt

mich durch die Tür, stößt mich in einen Haufen

von Billigsocken, und es schiebt und drängt

mich wieder raus und durch die Lichtgehänge

durch Stille Nacht und durch Macht hoch die Tür.

Durchs weite Tor bei Tchibo treibt die Menge

mich hart zu Douglas rein, es drohen mir

zwei Weihnachtsengel mit Parfüm und Seife.

Ich kämpf mich raus. Da! Da ist C&A!!

Und während ich um die Laterne greife,

mich gegen diese wilden Fluten da

anstemme, kann ich eine schmale Lücke sehen:

Mein Schlachter! Nur zehn Schritte. Also los!

Doch was ist das? Rund zwanzig Leute drehen

sich in die Schwingtür rein, ellbogig, rigoros.

Verdammt, ich will mein Schnitzel! Ohne Federlesen

ramm ich mich vorwärts, suche Arm- und Beinkontakt.

Sechs Kunden steh’n vor mir am Frischfleischtresen,

die wollen je fünf Schnitzel, weihnachtlich verpackt.

Mein Schlachter ruft mir zu: Komm morgen wieder!

Doch draußen fasst ein Weihnachtsmann mich bei der Hand

und nimmt mich gnädig unter Einsatz aller seiner Glieder

mit auf den Weihnachtsmarkt zu einem Bratwurststand.

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4 Kommentare

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  • J
    JadotA

    Überall wo der Weih-Mann kam

    Roch es nach Gänseleberkramm

    Nach Stollen und Weihnachtsbier

    Er trank letzteren es wie Elixier

    Dann rülpste er ganz laut

    Die ganze Harmonie war versaut

  • J
    JadotA

    haiku 5-7-5

     

    x-mas ist maßlos

    gans nicht mehr ganz und glanzlos

    stolle arbeitslos

  • J
    JadotA

    O Du, Weihnachtsmanntochter

    Ich hab nach Dir plötzlich Hunger

    Gib mir doch als Aperitif

    Die Früchte deines Dekolletés tief

    Als Hauptspeise nasche ich dann gern

    An deinem Bauchnabels Kern

    Mittenmang sind Fleisch und Beilagen

    Und Liebe geht wohl durch den Magen

    Als Käse und Nachspeise

    Schlecke ich einfach leise

    Was übrigbleibt da unten

    Bis nach Weihnachten

  • DF
    Danke für Gedanke

    Nur ein Kitzel

     

    In Wirklichkeit stillend für fleischhungrigen Spieler

    Irrwegens zähen Schnitzeljagd-Treibens wortreicher Tracht

    Wahrscheinlich weniger Nennung

    So doch auch werbender Firmennamen Sti-hiller Macht

    Gewesen

     

    Wird die wirtschaftliche Lage

    Des kleinen Ladens auf holder Route - wie war der Name noch gleich? -

    Je wieder genesen?

     

    Nächstes Jahr vor der Weihnacht Macht hoch die Tür

    Alt Geschäft vielleicht nimmer

     

    Dem Markt wird es wie eh schon und immer

    Herzhaft lecker Bratwurst sein

     

    Nein, die taz-Wahrheit vom 19. Zwöiften

    Geht nicht runter wie

    Glühwein

    Mit Schluß