Die Wahrheit: Endlich Nichttänzer
Irgendwann im Leben jedes Mannes kommt der Moment, in dem er erkennen muss: Männer können sich nicht bewegen, jedenfalls nicht so gut wie Frauen.
I ch erinnere mich an eine Jahrgangsparty in einer umgebauten Garage, wo mir auf einmal alles klar wurde. Nicht alles, aber zumindest die Sache mit dem Tanzen. Die Musik hatte sich langsam, aber stetig in den Bereich der Anhörbarkeit bewegt, weil der Plattenteller von uns usurpiert worden war.
Aus den großen Buchenfurnierboxen knallte P.I.L.s „This Is Not A Love Song“, und die Mädchen hatten ihren Widerstand gegen diesen „Krach“ endlich aufgegeben. Bei der letzten AC/DC-Runde Minuten zuvor waren ein paar von ihnen aufgestanden, um in der Mitte des Raumes den Beweis anzutreten, dass sie sich bewegen konnten. Im Gegensatz zu uns.
Ich suchte eine Musik heraus, die man danach auflegen konnte, befand mich also in der glücklichen Beobachterposition, und jetzt wurde es mir schmerzlich bewusst. Der Kontrast tat beinahe weh, so offensichtlich zeigte er sich hier. Mein Geschlecht quälte sich, mal leichtathletisch-abgehackt, mal tollpatschig, meistens nur doof. Es war die Verbissenheit des neuen Rekruten, der beim Gleichschritt immer aus dem Takt kommt.
„Act naturally!“, empfehlen US-Benimmbücher gern. Erst mal können, wenn man einen Besen im Arsch hat! Die besten Ergebnisse erzielten noch diejenigen, die sich an der handelsüblichen Luftgitarre versuchten. Da mussten möglichst synchron zum Gehörten Akkorde gebraten, Soli runtergenudelt werden, das war zwar auch nicht schön, hatte aber zumindest eine gewisse handwerkliche Solidität.
Die Mädchen aber – tanzten. Rund, organisch, fließend. Das hatte Hand und Fuß. Sie brachten es fertig, den gesamten Körper in Bewegung zu versetzen, ohne dass da eine Extremität übrig blieb. Und sie beherrschten die Kunst der Variation. Ihre Handrotationen, Armschlängeleien, Hüftwippchen und Beckenschwünge wiederholten sich auch schon mal, aber immer wieder anders. Das wirkte nie wie auswendig gelernt, sondern stets unangestrengt, locker improvisiert.
Woran lag das?, fragte ich mich damals. Vielleicht übten sie das einfach häufiger. Zu Hause vorm Spiegel. Einige der Mädchen machten dabei sogar die Augen zu, so entspannend wirkte es auf sie, so wenig Konzentration kostete es. Meine Leute indessen behielten sie auf, wachsam, angespannt, vielleicht um gleich reagieren zu können, wenn jemand lachte oder sich abfällig äußerte.
Vielleicht dachte ich noch ein paar Wochen länger, ich könnte das besser. Aber die Saat des Zweifels war gesät. Und irgendwann wurde mir klar, ich war auch nur Fleisch von ihrem Fleisch. Ungelenk, ohne Anmut und Grandezza. Seitdem beschied ich mich, wenn die Musik tatsächlich einmal gesteigerten Bewegungsdrang auslöste, mit einer fundierten Luftgitarre, und andere körperliche Exaltationen überließ ich denen, die es konnten – den Mädchen.
Ich glaube, solch ein Pfingsterlebnis hatte, auf die eine oder andere Art, fast jeder Mann. Deshalb ziert er sich, wenn es ums Gliederschütteln in größeren Gesellschaften geht. Jacques Cousteau hat schließlich auch keine Bergsteigerfilme gedreht.
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