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Die WahrheitDer homosexuelle Mann…

Kolumne
von Elmar Kraushaar

... ist ein Wesen mit übernatürlichen Kräften, wenn man seinen Feinden glaubt. Er kann Fluten auslösen und ganze Länder zugrunde richten.

D er homosexuelle Mann hat an allem Schuld. Beispielsweise an der letzten Flutkatastrophe auf dem Balkan. Das sei, so meint der höchste Bischof von Montenegro, Metropolit Amfilohije, die Reaktion Gottes gewesen auf solche Erscheinungen wie Conchita Wurst.

Auch der Tsunami 2004 im Indischen Ozean war, urteilte ein saudischer Scheich, die Strafe für die homosexuelle Unmoral. Ein katholischer Pfarrer im oberösterreichischen Windischgarsten sah den Grund für den Hurrikan „Katrina“ 2005 in New Orleans darin, dass hier zwei Tage später der CSD hätte stattfinden sollen. Und als der „World Pride 2005“ in Jerusalem geplant wurde, kamen gleich Geistliche aller drei Glaubensrichtungen zusammen und warnten davor, dass Gott die Hauptstadt Israels dafür strafen werde. Die Parade wurde abgesagt und aufs Jahr darauf verschoben.

Doch es sind nicht allein Naturkatastrophen, die man Homosexuellen zur Last legt. „Die Homosexualität hat das alte Griechenland zugrunde gerichtet“, schwadronierte einst Adolf Hitler, und noch 1962 hieß es im Deutschen Bundestag: „Wo die gleichgeschlechtliche Unzucht um sich gegriffen und großen Umfang angenommen hat, war die Entartung des Volkes und der Verfall seiner sittlichen Kräfte die Folge.“

In diese Liste der Idioten reiht sich wunderbar Noel Pemberton Billing ein, einstiges rechtsextremes Mitglied des britischen Parlaments. Im aktuellen Jahr des Gedenkens an den Beginn des Ersten Weltkriegs sei an ihn erinnert und daran, wie er sich Niederlagen des britischen Militärs in diesem Krieg erklärte. In der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Imperialist ließ er 1918 behaupten, die Deutschen hätten die Wehrkraft britischer Männer durch homosexuelle Infiltration zersetzt. Der Beweis: das „Berlin Black Book“, eine Liste von 47.000 (!) britischen Frauen und Männern, die allesamt Opfer der deutschen Übergriffe geworden seien. Wie das vonstatten ging? „Aufdringliche Agenten des deutschen Kaisers waren an Plätzen wie Marble Arch oder Hyde Park eingesetzt.“ Kindern sei die Unschuld geraubt worden unter Mithilfe der Ehefrauen von Männern in hohen Positionen. Und die größten Geheimnisse des Staates seien in lesbischer Ekstase verraten worden. Die Männlichkeit der Briten, das sei Ziel des Kriegsgegners gewesen, sollte „ausgerottet“ werden, indem man sie alle in die homosexuelle Falle lockte.

Natürlich hat ein Berliner Schwarzbuch nie existiert, das Gerücht verfehlte aber nicht seine Wirkung: In einem späteren Prozess in der Angelegenheit bekam Billing recht, und der darauf folgende Popularitätsschub verhalf ihm bei den nächsten Wahlen erneut zu einem Sitz im britischen Unterhaus.

Einer stand dem Verschwörungshetzer bei diesem Prozess beiseite, von dem man es nicht erwartet hatte: Lord Alfred Douglas, der einstige Liebhaber von Oscar Wilde. „Bosie“, wie er genannt wurde, distanzierte sich im Zeugenstand von seinem einstigen Gönner und Geliebten und machte auch ihn zu einem Schuldigen: „Wilde war im Europa der letzten 350 Jahre die größte Macht des Bösen.“

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