Die Wahrheit: Jagd auf den Kitzelkönig
Neues aus Neuseeland: In Aotearoa haben aufgeklärte Kräfte die Jagd auf einen höchst dubiosen Netz-Aktivisten aufgenommen.
S ollten Sie jung, männlich, gutaussehend und kitzelig sein, dann lesen Sie bitte weiter. Sollten Sie sich obendrein gerne für eine Woche erster Klasse nach Kalifornien einladen lassen, um in einem harmlosen Video aufzutauchen, dann horchen Sie bitte erst recht auf. Denn auch Sie könnten dem mysteriösen Kitzelkönig in die Falle tappen.
Wer das genau ist und welch krimineller Abgrund sich dahinter womöglich verbirgt, erforscht ab dieser Woche ein kleines, wagemutiges TV-Team aus Auckland. Allen voran David Farrier, der beim Sender TV3 für Kurioses zuständig ist. Der Reporter fand Videos auf Vimeo, in denen man junge Männer in knapper Adidas-Kluft sieht. Sie reden nicht, sie turnen nicht, sondern halten sich gegenseitig im Klammergriff und kitzeln sich aus. Manche stoisch, manche hysterisch. Zu den Filmchen kursierte weltweit ein Aufruf an weitere Rekruten: Flug nach Los Angeles und Unterkunft für eine Woche gratis, plus tausend Dollar für jeden, der bei dem seltsamen Gerangel mitmachen will.
Klingt schräg, dachte sich Farrier. Und sieht verdammt schwul aus. Mit beidem kennt er sich gut aus. Ob wohl Kiwis bei dem neuen Extremsport mitmachen? Doch als er bei der Produktionsfirma nachfragte, wurde es erst richtig komisch. Man bestätigte zwar die Teilnahme von fünf Neuseeländern, war aber ungehalten: „Die Verbindung mit einem homosexuellen Journalisten ist nicht das, was wir begrüßen.“ In diesem Ton ging es weiter. Man wolle auf keinen Fall Interesse bei schwulen Männern wecken, betonte eine Debbie von „Jane O’Brien Media“ am anderen Ende.
Farrier, der aus seiner sexuellen Orientierung keinen Hehl macht, war nicht nur durch die schwulenfeindliche Reaktion provoziert. Er fing an zu recherchieren. Je mehr homophobe Nachrichten die angebliche Debbie und ihre Kollegin Jane O’Brien losließen, desto ominöser stellte sich der Kitzel-Fetisch dar. Hinter den Damen verbirgt sich nämlich ein Mann namens Norman van der Koos, 53 Jahre alt. Der „Tickle King“ hatte sich online als junge Frau ausgegeben, um seine Kitzelkandidaten zu rekrutieren.
2001 verhaftete ihn das FBI, das drei Jahre lang gegen ihn ermittelt hatte. Van der Koos war unter anderem im Internet dadurch aufgefallen, dass er Menschen im Netz quälte und piesackte. Er wurde damals zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Jetzt will David Farrier den Folterer mit der Kamera aufstöbern. Per Crowdfunding hat er in den letzten Wochen über 25.000 Dollar zusammengetrommelt, um ab sofort den homophoben Sumpf trockenzulegen.
Zwei Wochen lang wird sich der Dokumentarfilmer investigativ in Los Angeles umtun und mit allen aus der Tickle-Szene reden: „Mit anderen Kitzelvideo-Filmern, mit Kitzel-Porno-Regisseuren, und mit denen, die jetzt im Internet niedergemacht werden, weil sie sich eine Stunde lang kitzeln ließen.“ Ja, es gibt bereits Opfer der Kitzel-Manie. Und Erpresste. Die volle Wahrheit muss ans Licht, bevor sich noch mehr Ahnungslose von dem übel Beleumundeten unter die Achseln fassen lassen.
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