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Die WahrheitNackt auf dem Trampolin

Ralf Sotscheck
Kolumne
von Ralf Sotscheck

Gerry Adams könnte nächstes Jahr Premierminister von Irland werden, wenn die Meinungsumfragen stimmen. Aber will man das?

D er Mann könnte nächstes Jahr Premierminister von Irland werden, wenn die Meinungsumfragen stimmen. Aber will man das? Gerry Adams ist Präsident von Sinn Féin, dem politischen Flügel der aufgelösten Irisch-Republikanischen Armee (IRA). Seit den Wahlen vor vier Jahren ist er Abgeordneter im Dubliner Parlament. Dort ist wohl so wenig los, dass er ständig twittert.

Möchte man wirklich wissen, dass er gern nackt mit seinem Hund Snowie auf dem Trampolin herumhüpft? Dankenswerterweise hat er kein Foto dazu ins Netz gestellt, sonst könnte sich Snowie bei seinen Artgenossen nicht mehr blicken lassen. Der Teddybär namens Ted kam nicht so glimpflich davon. Unter einem Foto des lilafarbenen Plüschtiers mit rotem Kleidchen stand: „Ich und mein Teddy müssen arbeiten.“

Aber am Valentinstag ließ Ted ihn im Stich. Adams hatte Austern und Coq au vin gekocht. Danach gab es Champagner und Erdbeeren. „Schade, dass ich allein bin“, twitterte er. „Ted ist ausgegangen.“ Wahrscheinlich in die Bärenklause. Einem Lästerer antwortete Adams: „Man muss auf die Empfindlichkeiten eines Teddys achten. Sie bekommen nicht die Beachtung, die ihnen in der Welt zusteht.“

Adams twittert öfters Fotos von den Mahlzeiten, bevor er sie verspeist. Mit Creme gefüllte Schokoladeneier zum Beispiel. Dabei fing er mit dem Twittern vor zwei Jahren durchaus ernsthaft an. Er kritisierte die Politik der irischen Regierung und kommentierte Ereignisse in Nordirland. Was aber geschah dann? Erste Infantilitätsanzeichen zeigten sich, als er berichtete, dass er seine Zahnbürste statt eines Kugelschreibers mit ins Parlament genommen habe: „Ich Dummerchen.“

Seine Twitter-Anhänger erfahren, dass er in seiner Freizeit gern Bäume umarmt oder an Abflussrohren hochklettert, weil sein Mitarbeiter versehentlich den Hausschlüssel eingesteckt hatte. Das Rohr brach jedoch entzwei. Das werden sich potenzielle Einbrecher merken. Kurz vor Weihnachten gestand Adams, dass er heimlich die Verpackung eines Weihnachtsgeschenks aufgerissen habe und ein gelbes Quietscheentchen im Päckchen vermute.

Am Weihnachtstag kam dann die Bestätigung: „Mein bestes Geschenk. Die Königin aller Gummienten.“ Er nahm sie sofort mit in die Badewanne. Offenbar musste auch eine Katze mit. „Katzen können auch schwimmen“, twitterte der Badefreund Adams.

Gerne zitiert er auch Gedichte oder Songtexte. „Jede Nacht frage ich die Sterne am Himmel“, schrieb er, „warum ich ein verliebter Teenager sein muss?“ Muss er nicht. Jemand sollte ihm sagen, dass er 66 Jahre alt ist und früher Kommandant der IRA war. Letzteres bestreitet er allerdings.

Wäre ein ehemaliger bewaffneter Kämpfer als Premierminister nicht vertrauenswürdiger als ein Nackttrampolinhüpfer mit Hund? Snowie soll inzwischen bei einem Tierschutzverein Asyl beantragt haben, berichtet das Nachrichtenportal Waterford Whispers. „Zuerst dachte ich, er will mir ein Würstchen zuwerfen“, wird der Hund zitiert. „Doch dann merkte ich, dass ich in der Hundehölle war.“

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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1 Kommentar

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  • Will man das? Diese Frage entscheidet demnächst – der Wähler. Das ist so ein vergessener Typ, den wir früher noch in der Demokratie hatten, um solche Fragen zu entscheiden. Nur, falls sich keiner mehr dran erinnert.

     

    Es war eben nicht alles schlecht im Kapitalismus…