Die Wahrheit: Freiheitskampf der Freiheitscamper
Neues aus Neuseeland: Es gibt eine frische Plage, die „freedeom camper“, durch die Geheimtipps des Tourismus zu Massenanlaufstellen werden.
A ls der Südhalbkugel-Sommer begann, da waren Touristen, die den Linksverkehr ignorieren, Straßenfeinde Nummer eins. Das gipfelte in Anzeigen und spontan konfiszierten Autoschlüsseln. Kaum geht die Saison zu Ende, verabschieden Kiwis sich von einer anderen Sorte angeblicher Störenfriede: Die „freedeom camper“ packen zusammen. Nur der Müll bleibt.
Unter Backpackern sind die Flecken in Neuseeland, wo man jenseits von Campingplätzen zelten oder im Auto übernachten kann, bestens bekannt. „Freedom camping“ am Straßenrand oder in einsamen Buchten wurde von offizieller Seite stets ignoriert, solange niemand ein Problem damit hatte und der Tourist einen Spaten dabei, um sein Geschäft zu verbuddeln. Doch seit es Handy-Apps für die besten freien Plätze in der Natur und am Stadtrand gibt, sind die Geheimtipps zu Massenanlaufstellen geworden. Seitdem tobt der Kampf der Freiheitscamper.
Am Red-Rocks-Parkplatz südlich von Wellington konnte man an manchen Sommerabenden um die 50 Autos zählen, darin vor allem Deutsche und Franzosen. Eine „Flut“, so die Lokalpresse empört. Ein Campervan habe beim Wegfahren gar einen Picknicktisch platt gemacht. Zustände sind das! In der Hauptstadt stehen die Wohnmobile an der zentralen Oriental Parade. Fremde angeln dort gar von der Hafenpromenade. Dreist! Wo bleiben da die Rechte und Flundern der Einheimischen?
In New Brighton, dem Strandviertel von Christchurch, sind viele Anwohner schon lange von den Travellern in ihren umgebauten VW-Bussen genervt. Aber noch nie war es so schlimm wie in diesem Jahr. Auf manchen Plätzen wurde permanent Party gemacht, es lagen Flaschen, Müll und Fäkalien herum. Klappstühle versperrten die Wege. Die „Freedom Camper“ wurden in „Peedom Camper“ umgetauft: Wo keine Toiletten, da viel freies Pinkeln (auf Englisch: „peeing“).
Eine Art Mob namens „People’s Independent Republic of New Brighton“ hetzte auf Facebook gegen den „Euro-Trash auf Tour“ und stachelte sich gegenseitig zu Sabotageakten auf: heimlich die Heringe aus den Zelten ziehen, bevor der nächste Sturm kommt.
Nicht zimperlich ist dort auch die Gegenseite. Als ein Pressefotograf vom improvisierten Camp-Gelage an einem öffentlichen Parkplatz Fotos machen wollte, zückte ein wütender Deutscher ein Jagdmesser. Hinter ihm stand eine junge Frau mit Steak-Messer in der Hand. Daraufhin ließ die Polizei die Stelle räumen und stellte ein großes „No camping“-Schild auf.
An der Westküste der Südinsel werden seit vorigem Jahr 200-Dollar-Knöllchen an alle vergeben, die nicht in Selbstversorger-Fahrzeugen schlafen. Noch strenger ist die Touristenhochburg Queenstown, wo man eine Bewilligung der Stadtverwaltung braucht, im Wohnmobil ein Chemie-Klo dabeihaben muss und nicht länger als zwei Nächte an einem Platz stehen darf. Bevor Christchurch sich ebenfalls Strafen überlegt, will es erst mal neue Flächen für die Camper freimachen – in der seit dem Erdbeben unbewohnbaren „roten Zone“. Ab in die Ruinen aufs Klo!
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