Die Wahrheit: Der Kaninchenkreuzzug

Tierisch: Vom Kampf des Australiers gegen seinen ärgsten Feind – mit „rabbit-shooting parties“ und einem 696 Meilen langen Kaninchenzaun.

Das Pech der grauen Marodeure: Sie sind keine Schafe. Bild: reuters

Der Australier ist ein großer Tierfreund, nur beschränkt sich seine Tierfreundschaft leider auf ein Tier: das Schaf. Und neben seinem Liebling duldet er keine Konkurrenz, weder Känguru noch Kaninchen. So schimpft der Australier am liebsten darüber, dass sieben Kaninchen so viel fressen wie ein Schaf. In seinem schlichten Weltbild sagt er sich: Wenn mein Land schon kahlgefressen und ökologisch ruiniert wird, dann bitte schön von meinen geliebten Schafen. Außerdem lässt’s sich am Schaf auch viel besser verdienen.

Ohne die „grauen Marodeure“, die Kaninchen, könnten in Australien doppelt so viele Schafe leben, klagt James Hobden im Walkabout Magazine. Die Überschrift über seinem Kaninchenleidartikel ist eine einzige anklagende Zahl: „Siebenhundert Millionen Kaninchen!“

Dabei hatte alles mit 25 Tieren angefangen, die der englische Kaninchenfreund Thomas Austin 1859 nach Australien einführte. Kaninchenfreund ist dabei relativ, denn Austin veranstaltete rabbit-shooting parties“ in seinem ausgedehnten Park. Dabei durfte jeder Partygast höchstens ein halbes Dutzend Kaninchen niederstrecken.

Ein böser Fehler, denn „sie paaren sich nahezu ununterbrochen“ (Tierpark.de). In kürzester Zeit war der Park kahl gefressen und sechs Jahre später wurden bereits 20.000 Tiere auf der Brache abgeschossen. Schon 1883 wurden die Kaninchen zur offiziellen Landplage erklärt und der Rabbit Nuisance Act wurde verabschiedet. Der sah offizielle Kanincheninspektoren mit der Lizenz zum Töten vor und lobte Prämien für „rabbit scalps“ aus.

Dann hatten die Australier zwei großartige Ideen: Die erste war, das Kaninchenland mit einem riesigen Zaun zu sichern, damit die Nager sich nicht weiter ausbreiten konnten. So wurde ein riesiger Freilaufkäfig mit einem 696 Meilen langen Kaninchenzaun geschaffen!

Doch leider hoppelten die Kaninchen schon bald auf beiden Seiten des Zauns, weil „disgruntled people“ (verpeilte Zeitgenossen) die Kaninchenzauntore offen ließen.

Fallen, Schrot und Gift und Gas

Die zweite gute Idee war die, zur Kaninchenbekämpfung Füchse einzuführen. Binnen Kurzem war aus sechs Füchsen eine weitere „serious pest“ geworden, denn diese fraßen einheimische Kleintiere, vermehrten sich prächtig und verzehrten mit Genuss frisch geborene Lämmer. Kein Verhalten, das von Schafsfreunden gerne gesehen wird. Der Plan, zur Vernichtung der lästigen Füchse Wölfe einzuführen, wurde überraschend wieder aufgegeben.

Die ärgsten Feinde blieben jedoch die Kaninchen, die „plunderer of our grasses“ (Hobden). Sie wurden mit allen Mitteln bekämpft: mit Fallen, Schrot und Gift und Gas. Allein beim Baron River Massaker wurden 100.000 durstige Kaninchen mit vergiftetem Wasser getötet.

Ohne großen Erfolg, in den Jahren 1939 bis 1945 lief die „rabbit pest“ völlig aus dem Ruder und die Australier griffen zur extremen Form der biologischen Kriegsführung: Sie bekämpfen die Pest der Kaninchen mit der Kaninchenpest, der Myxomatose. Dabei schwillt den infizierten Tieren der Kopf an, sie werden taub und blind und verenden elendiglich. 99 Prozent der Tiere starben, aber der Rest wurde immun gegen den Virus und es kam zur „Rückkehr der Killer-Kaninchen“ (Frankfurter Rundschau).

12 Millionen tote Kaninchen

Seit 1950 gab es zwei große Ausrottungsaktionen und immer wieder wird in der Presse eine weitere vorhergesagt. Doch erstmals regt sich Widerstand. Bei den Kaninchen selbst nämlich! Denn es gibt ein rätselhaftes Phänomen, das bislang nur bei australischen Kaninchen beobachtet wurde: das Auftreten von Massenwanderungen, wie wir es von den Lemmingen kennen.

Hobden beschreibt im Walkabout Magazine so einen „schreckeneinflößenden“ Zug. Dabei stürzte sich die Vorhut kopfüber in den verhassten Kaninchenzaun. Verzweifelt versuchten sie den Draht zu zerbeißen und in Minutenschnelle sah er auf „a struggling mass of grey bodies“. Die unten liegenden Tiere erstickten unter dem Ansturm der folgenden.

Über die Brücke der lebenden und toten Körper findet die Wanderung manchmal möglicherweise ihren Fortgang. In diesem Fall gelang es den Kaninchen jedoch nicht, den Zaun zu überwinden, und der entsetzte Beobachter blickte am Ende auf eine 40 Meilen lange Strecke voller Kaninchenkadaver. Hobden schätzt, dass in diesem einzigen Wanderzug allein 12 Millionen Kaninchen umkamen. Sogar Eisenbahnzüge wurden auf der Strecke nach Broken Hill von Massenzügen der Kaninchen aufgehalten!

Man kann sich vorstellen, was auf die australischen Schafsfreunde zukommt, wenn die Kaninchen dieses Jahr ihren Ostermarsch nach Sydney in die Tat umsetzen!

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.