Die Wahrheit: Aufstand bei Windsors
Die Queen soll zum ersten Mal bestreikt werden. Und will, wenn es zum Arbeitskampf kommt, persönlich Führungen in ihrem Schloss anbieten.
Und das auf ihre alten Tage: Der Queen droht der erste Streik in der Geschichte der englischen Monarchie. Sie sei ein mieser Arbeitgeber und zahle „haarsträubende Niedriglöhne“, moniert die Gewerkschaft. Sie vertritt 120 der 200 Angestellten im Windsor Castle, der Lieblingswohnung von Elisabeth II. Sie bekommen als Anfangsgehalt 14.000 Pfund im Jahr – deutlich unter dem Existenzminimum, das für London bei mehr als 20.000 Pfund liegt.
Dafür müssen sie schwer schuften und darüber hinaus auch noch Überstunden ohne Lohn leisten, zum Beispiel Touristen im Schloss herumführen, dolmetschen oder Erste Hilfe leisten, wenn ein Tourist von einem Corgi gebissen wird. Voriges Jahr hat man den Angestellten versprochen, dieses Jahr ein bisschen mehr zu zahlen, aber davon ist keine Rede mehr. Möglicherweise ist das die Erklärung für das Mysterium der verschwundenen Nüsschen.
Auf den Gängen im Palast stehen überall kleine Schalen mit Knabbereien, falls Ihre Majestät beim Rundgang durch ihr Heim Appetit bekommt. Vor ein paar Monaten stellte sie entsetzt fest, dass irgend jemand anders ebenfalls Appetit auf Nüsse hat. Seitdem markiert sie die Füllhöhe der Schälchen und legt sich auf die Lauer, um den Mundräuber zu ertappen. Vermutlich handelt es sich um einen Palastangestellten, der sich zum Monatsende keine Lebensmittel leisten kann.
Ein Sprecher der Queen meinte dagegen, die Leute würden gut bezahlt und bekämen obendrein kostenlosen Lunch. Es gebe also keinen Grund, die Arbeitgeberin zu bestehlen. Schließlich muss die Queen ihr Erspartes zusammenhalten. Windsor Castle ist eine der wichtigsten touristischen Attraktionen in England. Rund 1,1 Millionen Besucher im Jahr spülen 17 Millionen Pfund in die königliche Geldbörse.
Keine Richtlinien für Wärmedämmung
Das hört sich viel an, ist es aber nicht. Der Unterhalt der diversen königlichen Wohnstätten verschlingt Unsummen. Allein die Heizkosten belaufen sich auf eine Dreiviertelmillion im Jahr, weil es damals, als die Schlösser gebaut wurden, keine Richtlinien für Wärmedämmung gab. Im Buckingham Palace haben die Bediensteten Eimer aufgestellt, weil es hereinregnet. Und die Queen hat nur noch eine Million Pfund auf der hohen Kante.
Die Gewerkschaft nutzt ihre Notlage gnadenlos aus. Seit Dienstag voriger Woche läuft die Urabstimmung, das Ergebnis steht am 14. April fest. Am Tag danach könnte der Streik losgehen, wenn eine Mehrheit dafür stimmt. Das heißt aber nicht, dass Elisabeth ihren goldenen Staubwedel zur Hand nehmen muss, denn ihre Diener und Lakaien sowie ihr privates Personal werden nicht von der Gewerkschaft vertreten. Aber die uniformierten Aufseher, die sich um den Palast kümmern und aufpassen, dass die Besucher nichts klauen, werden keine zusätzlichen Arbeiten mehr machen.
Früher hätte man solche Leute im Tower geköpft, aber das geht leider nicht mehr. Dabei sollte es eine Ehre sein, für die Queen zu arbeiten. Das lässt sich gar nicht mit Geld aufwiegen. Wie angespannt die finanzielle Situation bei den Windsors ist, zeigt ihre Reaktion auf den drohenden Streik. Sie werde die Touristen dann eben persönlich durch das Windsor Castle führen, erklärte Elisabeth trotzig. Daraufhin waren die Eintrittskarten für Palastführungen nach dem 14. April in Windeseile ausverkauft.
Das wird Margaret Hodge, Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Unterhauses, sehr freuen. Sie hatte der Queen voriges Jahr vorgeschlagen, ihr eigenes Einkommen zu erhöhen und die Besuchszeiten für Touristen in ihren Palästen zu verlängern. Dabei spart die Monarchin schon an allen Ecken und Enden. So gab sie bekannt, dass sie sich keine neuen Corgis anschaffen werde, wenn ihre kleine Hundeherde das Zeitliche gesegnet hat. Unvorstellbar. Die Queen ohne Corgis ist wie Bono ohne Sonnenbrille. Der britische Verband der Corgi-Freunde befürchtet die Verpudelung Englands und hat zu Hundefutterspenden für die Queen aufgerufen.
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