Die Wahrheit: Mit letzter Finte
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Heute darf sich die Leserschaft am finalen Poem des verschiedenen Großdichters Grass delektieren.
Warum schweige ich, verweigre so lange,
was seit Jahren in der naturhölzernen Lade,
deren Schub dem Kaschuben in mir stets gefiel,
wie eine Fußnote liegt zum Werk und zum Mann.
Es ist das behauptete Recht der Presse auf den Erstdruck,
der das von einem Großschwätzer besinnungslos geschwafelte
und zum onanierten Gedenken angetretene
deutsche Feuilleton zur Auslöschung verdammen sollte,
weil es in meinem Machtbereich unbefugt die Fuge
eines von mir selbst erstellten Epitaphs nicht mal vermutet.
Doch warum unterschlage ich noch,
jenen denkbarst würdigen Nekrolog rauszupulen
wie einen Aal aus verfaulendem Pferdekopf
oder wie den hohlen Kern aus Häuten der Zwiebel,
die mich, schneidend, Salziges verströmen läßt
wie einzig sonst der Gedanke ans Gesülze,
das sie mir nachlöffeln,
nun, außer Kontrolle, weil meiner Prüfung unzugänglich.
Das allgemeine Beheulen des Tatbestandes,
daß ich von jetzt an nie wieder was sagen muß,
empfinde ich als belastende Lüge,
und es sollte unter Strafe gestellt werden,
daß sie das Mietmaul nicht halten,
daß sie nicht zuwarten,
wie die Demut der Forscher, der Kenner
zu Tage fördert, wozu der dem Tag verpflichteten Zeitung,
ja, auch der geschätzten Zeit die Zeit stets abgeht,
Haus großes Verdikt „Heuchelt nicht!“
obendrein mißachtend.
Dann aber, wenn aus meinem Leib,
der von ureigener Eitelkeit,
die ohne Vergleich ist,
weniger zu leiden hatte als das Publikum,
längst die Kinder der Rättin ein Haus erbaut haben,
wird er scheinen, der allerletzte Grass, wird
noch einmal Blech trommeln
über das, was er war, was er wollte und tat.
Bis dahin sei Ruhe!
Nur so ist allen, den eifrigen Schreibern,
den bräsigen Lesern,
und meinetwegen den Israelis,
und letztlich auch mir zu helfen.
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