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Die USA, die Bundestagswahl und der RBBTrumpeln durch den Porzellanladen

Trumps verhieße­ner Friedensplan besteht offenkundig daraus, dass er keinen hat. Und der Kanzlerkandidat der Union verunsichert mehr als eine Gewalttat.

Gibt gerne anderen die Schuld: Donald Trump Foto: John Locher/ap

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Der Wahlkampf scheint in die Migrationshysterie einzumünden.

taz: Und was wird besser in dieser?

Küppersbusch: Schaut sie euch genau an.

taz: Nach der tödlichen Messerattacke eines 28-jährigen Afghanen in Aschaffenburg verspüren manche in der Öffentlichkeit Unsicherheit. Wie lassen sich solche Taten vermeiden?

Küppersbusch: Friedrich Merz möchte, auch mit Stimmen der AfD, europäisches und deutsches Grundrecht brechen. Ehrlich gesagt verunsichert mich das ein bisschen mehr. Ob ein Psychopath in Münster einen Bulli ins Café lenkt, ein anderer mit 150 Opfern einen Germanwings-Jet in die Alpen rammt oder noch einer in Hanau um sich ballert: Ich habe die Forderung noch nicht gehört, systematisch biodeutsche Nervenpatienten auszuweisen. Es mag bachblütenesoterisch klingen, hier roten Alarm im Umgang mit seelisch Kranken zu fordern. Nur ist das deutlich logischer als die grassierende Herkunftshysterie. Die hat inzwischen pathologische Züge, und es ist halt tückisch: Wie sollen Psychopathen Psychopathen erkennen?

taz: Donald Trump gibt Wolodymyr Selenskyj eine Mitschuld am Krieg gegen die Ukraine. Hat Trump recht?

Küppersbusch: Trumps verhießener Friedensplan besteht offenkundig daraus, dass er keinen hat. Und daran sind die anderen schuld. Jetzt droht er Putin mit Strafzöllen und Sanktionen und will den Preis für russisches Öl abrauchen lassen. Zugleich schmäht er Selenskyj dafür, dass er ziemlich genau das getan hat, was die USA von ihm wollten. Kurz: Er trumpelt durch den Porzellanladen und verkauft die Abraumhalde als genialen Move. Schon einmal forderten einige Republicans, weitere Ukraine-Hilfen von Neuwahlen dort abhängig zu machen. Kann wieder kommen.

taz: Mindestens drei bekannte Parteien müssen derzeit fürchten, bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Sollte diese Regelung reformiert werden?

Küppersbusch: Ja, und wäre die AfD bei 4,9 Prozent, fänden wir die 5-Prozent-Hürde wieder super. Auch die NPD scheiterte mal mit 4,3 Prozent im Bund. Bei der Linken scheint die Suggestion zu greifen, dass sie es über die Direktmandate schaffen, in Umfragen klettern sie auf 4 und 5 Prozent. Heißt: Die Regelung begünstigt regional verankerte Parteien und dimmt Designprodukte wie BSW. Das Verfassungsgericht hat entschieden, dass beides nur zusammen gilt: Hürde und die Drei-Grundmandate-Sicherung. Oder wenn, dann will ich hinter der Hürde auch einen Wassergraben.

taz: Hat Elon Musk den Hitlergruß gezeigt?

Küppersbusch: Musk grüßte beim AfD-Parteitag „die uralte, Tausende von Jahren alte deutsche Nation“, die laut Caesar ein „germanischer Stamm sehr machtvoller Krieger“ seien, leider derzeit mit einem „zu starken Fokus auf Schuld“, den es zu überwinden gelte. Hitlergruß hin oder her, es ist eine Frage der Zeit, wann Hitler den Musk-Gruß macht.

taz: Die Gelbhaar-Affäre kam zustande, weil der RBB die Existenz einer Informantin nicht überprüfte. Ist die Skandalanstalt noch zu retten?

Küppersbusch: Vorsicht, in der Geschichte ist genug schiefgegangen. Die Affäre begann, weil Gelbhaar mit unklaren Vorwürfen aus seiner Partei gemobbt wurde, auf die Landesliste zu verzichten. Die Grünen verabsäumten eine schnelle Prüfung der Beschuldigungen. Erst danach veröffentlichte der RBB ein Fiasko von Recherche. Eine Stand heute gefälschte eidesstattliche, eine gefakete Spielszene, eine nicht existente Zeugin. Das kostete Gelbhaar auch das Direktmandat. Für die Lesart „toxische grüne Männerhasserin befeuert öffentlich-rechtliche Ideologieschleuder“ leider ein Homerun. Am Ende deckte der Tagesspiegel Unwahrheiten allerseits auf. Eine Option wäre, sich bei den KollegInnen dort zu bedanken und in Demut vor der eigenen Tür zu kehren. Fällt den Grünen im Wahlkampf erkennbar schwer und ist beim RBB schon so was wie Folklore.

taz: Vor achtzig Jahren wurde Auschwitz befreit. Die Gesellschaft rückt immer weiter nach rechts. Werden bald wieder Deportationszüge durch Europa rollen?

Küppersbusch: Es ertrinken Menschen im Mittelmeer und in Drittstaaten werden Lager gebaut. Das Gleiche kann so schlimm sein wie dasselbe. Das Gedenken, die feierlichen Reden und der ganze „Nie wieder“-Gestus erweisen sich als bemerkenswert hilflos im Angesicht der Gegenwart. Das ist ein Schreck – und gut, dass uns der Jahrestag das sagt.

taz: Und was macht der RWE?

Küppersbusch: Führt zum Redaktionsschluss 2:0 gegen Hannover. Ich bin nervös.

Fragen: Fridolin Haagen, Robert Schwerdtfeger

Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und recherchiert das lieber nochmal nach

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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4 Kommentare

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  • "Ich habe die Forderung noch nicht gehört, systematisch biodeutsche Nervenpatienten auszuweisen."



    Küppersbusch bringt es wieder auf den Punkt, wo Debatten falsch abgebogen sind. Was wir zäh wieder ändern sollten.

  • Jeder hat den Elefant, den er verdient.



    Nur die allerdümmsten Kälber



    wählen ihren Schlächter selber

  • Friedrich Küppersbuschs Rationalität, Weltklugheit und moralischer Kompass sind wirklich eine erfrischende Ausnahme im konturlosen Dauerrauschen.

  • Liggers

    “ Das Verfassungsgericht hat entschieden, das beides nur zusammen gilt: Hürde und die Drei-Grundmandate-Sicherung. Oder wenn, dann will ich hinter der Hürde auch einen Wassergraben.“ aber dann bitte auch mit 🐊 🐊

    Wie einst Papa Heußer und Vater des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung! - zum Ansinnen zu RAF-Zeiten eines Grabens ums BVerfG Karlsruhe

    unterm——



    de.wikipedia.org/w...rmann_Heu%C3%9Fner



    “…Überliefert ist von ihm die Anekdote, dass er Vorschläge, das Gebäude des Bundesverfassungsgerichts nach dem Deutschen Herbst mit einem Wassergraben gegen terroristische Anschläge zu schützen, mit den Worten „Aber dann auch mit Krokodilen.“ lächerlich machte.…“

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