Die These: Sparen kann auch Spaß machen
Angesichts gestiegener Preise für Strom und Gas ist Sparen das Gebot der Stunde – mitunter auch Hamstern, meint unser Autor. Er übt sich in beidem.
W er lebt, muss wohnen. Wer wohnt, muss heizen. Wer heizt, hat ein Problem.
Wer das noch nicht bemerkt hat, dem wird es dämmern, sobald die Nebenkostenabrechnung ins Haus flattert. Ganz egal, ob die gewünschte Wärme nun auf dem Verheizen von Gas, Öl, Kohle oder Strom beruht, hinter dem sich dann doch fossile Energieträger verbergen – wenn nicht gar Atomkraft, diese Hydra mit hässlichem Haupt.
Weil für alles aber Strom gebraucht wird, werden die Preise für alles steigen.
Was tun in dieser Lage? Sparen? Oder Hamstern? Oder bestenfalls eine Kombination aus beidem? Hamstern lässt sich im Wettlauf um begrenzte Ressourcen als amplifizierter Konsum beschreiben. Und Konsumieren, das wurde uns ja im amplifizierten Kapitalismus eingebläut, ist keine Zumutung. Sparen, also nicht konsumieren, dagegen schon. Hamstern ist der hysterische Cousin der Verschwendung. Sparen ist Verzicht.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Unabhängig von diesen Unterschieden und unabhängig auch von der „sozialen Frage“ ändert das aber nichts an der Tatsache, dass wir hamstern können und sparen müssen. Vielleicht sollte es ein neues Wort dafür geben. Spamstern beispielsweise. Da klingt dann sogar das Wort Spaß mit durch. Ein halber Spaß.
Was meine Hütte im Wald betrifft, in der ich schreibe, ging das Hamstern, um den Winter zu überstehen, ganz leicht von der Hand. Hinter den stählernen Zähnen seiner Schaufel karrte ein Bagger Brennholz heran und kippte es aus – einen ganzen Festmeter. Schon das Wort Festmeter klingt, anders als Kubikmeter, es klingt wie eine Maßeinheit für Verlässlichkeit.
Da fragte ich mich zum ersten Mal, was ich hier eigentlich mache. In dieser einsamen Hütte mitten im Wald. Ein Ort, der nicht im Konkreten, aber im Übertragenen als Sehnsuchtsort doch der eigentliche Fluchtpunkt aller ökologischen Mahnerinnen und Warner, der Traum jedes zauselbärtigen Aussteigers und seiner zivilisationsmüden Begleiterin ist. Mein Traum war es nie. Trotzdem: Jetzt kann ich mal sehen, wie das wirklich ist, auf die – nach der Sonne selbst und heißen Quellen – ursprünglichste aller Heizmethoden zurückgreifen zu müssen.
Also füllte ich die Scheite in eine Schubkarre und rollte sie so zum Schuppen oberhalb der Hütte, um sie dort halbwegs säuberlich im Trockenen und Luftigen zu stapeln.
Manche Holzscheite lagen ganz leicht in der Hand, vermutlich Fichte. Andere Stücke waren schwerer, vermutlich Buche, Esche oder Birke. Das Gewicht ist wichtig, weil es vom Brennwert des Holzes erzählt. Je schwerer, desto länger brennt es. Vorausgesetzt, es wird „trocken und luftig“ gelagert. Am Ende waren es genau 569 Holzscheite. Ich weiß das, weil ich jeden einzelnen davon in der Hand hatte.
Das Hamstern des Holzes – dessen Wert sich inzwischen verdreifacht hat – verschaffte mir eine eigentümliche Befriedigung, wie sie schon der Mensch in der Jungsteinzeit empfunden haben muss, wenn er wusste, dass er eine Zeit lang nicht friert. Und etwas gelernt habe ich auch: Je ökonomischer ich die Scheite verheize, umso mehr habe ich vom Hamstern.
Was unsere Mietwohnung in der Stadt betrifft, ist das Hamstern keine Option. Hamstern kann nur der Staat in seinen Gasspeichern. Bei uns aber geht’s direkt ans Eingemachte, also ans Sparen.
Robert Habeck, Wirtschaftsminister, rät zum „kurzen Duschen“. Das mag einleuchtend sein, hilfreich ist es in seiner paternalistischen Bevormundung sicher nicht. Eine vergleichbare Arroganz spricht aus Thorsten Weckherlin, Intendant verschiedener Theater im Württembergischen. Er faselte vom wärmenden „Lagerfeuer der Kultur“ und forderte „Spaßspeicher“. Leider lässt sich Spaß nicht speichern. Er muss als Nebenprodukt beim Sparen selbst anfallen.
Mehr als eine moralische Turnübung
Ulrike Herrmann, Wirtschaftsjournalistin dieser Zeitung, zieht in ihrem aktuellen Buch sogar Parallelen zur britischen Kriegswirtschaft von 1939 bis 1945. Was bisher grünes Klingelingeling war, ist jetzt ein Gebot der Vernunft. Neu ist auch in urbanen Milieus, dass Einübungen in die Einschränkung nicht mehr moralische Turnübung oder Teil einer progressiven Lebensführung sind, wie noch zu Zeiten, als es nur die Klimakrise gab.
Es geht nicht um die Rettung der Welt. Sondern schlicht ums Geld – und damit in vielen Fällen um die Existenz. Zwar sind vervielfachte Heizkosten ein Skandal, entsprechen aber den vernünftigerseits schon lange beschworenen wahren Kosten für fossile Energieträger. Jetzt tritt ein, wovor die Grünen immer gewarnt haben. Ihr Dilemma ist, dass es jetzt so wirkt, als seien sie für die Kostenexplosion verantwortlich.
Nicht Prassen, sondern Sparspassen
Zurück zum Konkreten. Zum Sparen. Vielleicht sollte es auch dafür ein neues Wort geben. Sparspaß beispielsweise. Nicht als Widerspruch in sich, sondern als Tautologie. So als wäre Spaß haben und Sparen das Gleiche.
Bei uns sieht das so aus: Gas erhitzt Wasser in Boilern, lauwarmes Wasser braucht kein Mensch, also ist die Warmwasserzufuhr in unserer Küche abgedreht. Bis jetzt hat das noch niemand gemerkt.
Die Töchter duschen nun statt einer elegischen halben Stunde nur noch drei Minuten. Die Wärmflasche ersetzt die Heizung in der Nacht. Jeden Monat gibt es nur ein Vollbad. Wer es nehmen darf, entscheidet ein Kartenspiel. Gewiss, da spielen sich Dramen ab. Es ist aber auch ein Ansporn, sich intensiver mit Rommé zu beschäftigen. Die mehrfache Verwendung von Badewannenwasser, das „eigentlich noch warm genug“ ist, bleibt allerdings umstritten.
Spielerische Kriegswirtschaft
Spielerische Kriegswirtschaft bringt mit sich, dass demokratische Entscheidungsprozesse außer Kraft gesetzt werden müssen. Hin und wieder, vorübergehend – wenn etwa die Verwendung manipulatorischer Begriffe wie „russisches Blutgas“ bei den Kindern nicht mehr fruchtet. Anzustreben wäre eine gute Tyrannis im altgriechischen Sinne, eine unumschränkte Verfügungsgewalt über die Durchschnittstemperatur der Wohnung.
Das nervt? Kann sein, wird sich aber auf Dauer bemerkbar machen. Und auf der Abrechnung der Nebenkosten. Keep calm and carry on.
Die versuchsweise Drosselung des Unnötigen hat tatsächlich etwas Befriedigendes – vergleichbar dem Blick auf die Waage, wenn man es mit einer Diät ernst meint. Oder dem Gefühl, im Keller endlich mal aufzuräumen. Mein Anbieter meldet bereits, ich hätte mit nur 50 Kilowattstunden im August „89 Prozent weniger als vergleichbare Haushalte“ verbraucht. Daumen hoch! Endorphine!
Wesentlich ist, sich jeden Aktivismus zu sparen. Kein Predigen, kein Pietismus. Kein Geschwätz vom individuellen „CO2-Fußabdruck“, einem extrem erfolgreichen PR-Trick von BP, um die eigene Verantwortung und die Größe des Problems zu verschleiern.
Sparen, aber kein Dogma draus machen
Nie werden wie jene, „die es schon immer gesagt haben“, weil – nochmal! – das Sparen keine Gewissensfrage ist. Man verhalte sich wie jemand, der halt wenig bis kein Fleisch mehr isst – und keinesfalls so selbstgerecht und sendungsbewusst wie manche, die sich Vegetarier nennen.
Wer’s Geld verballern will, soll’s doch verballern. Die Natur des Menschen ist einstweilen nicht zu ändern. Um ihr bisweilen entgegenzukommen, gibt es bei uns zu Hause bald auch „Fuck it!“-Abende, an denen alle Regeln außer Kraft gesetzt sind – und an denen es wieder so warm zugeht wie früher, vor der „Zeitenwende“. Es wird sich so exzessiv anfühlen, wie es das ja immer schon war.
Wenn diese Sparbemühungen alle nicht reichen, bleibt uns immer noch die Rückkehr ins 17. Jahrhundert, in den Wald, in die Hütte mit ihren 560 Holzscheiten. Neun von ihnen habe ich schon verfeuert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich