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Die StreitfrageIst 08/15 besser?

Kommentar von Timo Nicolas

Höher! Schneller! Weiter! Warum eigentlich? Unser Leben besteht zum Großteil aus Durchschnitt, aus monotonem Mittelmaß.

Dieses 08/15-Foto gibt nicht vor, etwas Besonderes zu sein. Foto: dpa

S tolze 19,5 Kilogramm schwer war die „leichte“ Version des Maschinengewehrs 08 aus dem Jahr 1915. Das MG 08/15 also war ein wahrhaftig schweres Eisen, das von bis zu sechs Mann bedient wurde.

Neben seinem hohen Gewicht hatte es weitere Tücken: Das Standard-MG des deutschen Heeres im ersten Weltkrieg war schwer zu bedienen und von schlechter Qualität, in den Fabriken fehlte es an Material und Know-how. Dennoch mussten die Truppen mit dem MG 08/15 im Arm marschieren, sie wurden gedrillt, jeden Tag die gleiche Monotonie.

Der militärische Ursprung ist heute kaum noch bekannt, aber Nullachtfünfzehn hat seine negative Konnotation behalten und steht für die Langeweile im Alltäglichen, für Tristesse und fehlenden Glanz, für Stupides und absolut Durchschnittliches. Also all das, was niemand sein, niemand tun und keiner haben will.

Denn das eigene Handeln soll einen Unterschied ausmachen, man strebt nach Größerem, Höherem, und wer das nicht tut wird von oben herab verständnislos beäugt. Keiner will Durchschnitt sein, der Durchschnitt ist ein statistischer und emotionaler Wert non grata.

Die gesellschaftliche Intoleranz gegenüber dem Mittelmaß kann weitreichende Folgen haben, über Ausgrenzung, Sinnkrisen, persönlichem Stress bis zu Burnout. Dabei sollte eigentlich klar sein: Realistisch gesehen ist ein Großteil des eigenen Seins und Tuns 08/15. Das Auto vermutlich VW, das Haus vermutlich Reihe, der Job vermutlich unspektakulär. Wie erträgt man also, dass 99% des eigenen Lebens Standard ist?

Muss man sich von dem Gedanken lösen, dass der Mittelmaß etwas schlechtes ist? Dass man nichts besonderes ist und wird und dass sich damit auch ein gutes Leben führen lässt? Ein besseres? Daher stellt sich die taz.am wochenende im August 2015, 08/15 also, folgende Frage:

Ist 08/15 besser?

Diskutieren Sie mit! Wir wählen unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlichen sie in der taz.am wochenende vom 22./23. August 2015. Ihr prägnantes Statement sollte nicht mehr als 400 Zeichen umfassen und mit Namen, Alter, einem Foto und den Kontaktdaten der Autorin oder des Autors versehen sein. Schicken Sie uns bis Mittwochabend eine Mail an: streit@taz.de

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13 Kommentare

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  • Hmm?? " Wie denkt er nun, und fühlt..

    der Mensch...?

    Etwa als 08/15 soziales Wesen, statistisch erfasst? Im Sinne staatlicher Axiome von Ideologie, Konsum, Streben nach `Erfolg´/ Anerkenntnis..? Als 08/15 Teil in einer Sozial/Status/Kampfideologie..?

    ..Entweder ein 08/15 "IN" oder ein 08/15 "OUT" ?

    ----------------

    Ich meine das 08/15 sowat wie´n statistischer/soziologischer Begriff für den langweiligen Durchschnitt ist..

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    Z.B. die 08/15 `allgemein zensierte Presse´ Meinung.. (TAZ an sich ist also nicht 08/15 !!)

    Ist ja n´Merkmal der TAZ, die allgemein/soziale 08/15 Kultur zu hinterfragen, zu kritisieren.. Warum?

    ..Weil der Gegensatz zur 08/15 Kultur und dessen 08/15 Denkens..

    .. eben das individuelle/kritische/ ästhetische Denken ist !

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    Naja.. wir alle, jeder.. `lebt´ in irgend soziologischer 08/15 Situation..

    Jedoch? Die Gedanken und Ideen, Träume, Phantasien, Weltinterpretation.. sind etwas sehr individuelles ! Sind im allgemeinen, als `geistige Dinge´ , nicht 08/15 !

    --------------------

    "Schlimm" wird es erst, seitdem die Adorno´sche Kulturindustrie, flankiert durch Internet, aktiv ist, das individuelle geistig/moralisch/ethische/ ästhetische Lebensdasein der Menschen im Sinne soziologisch/ ideologischer 08/15 Konsumkultur/Moden/Meinungen/ Sensationen etc. zu vereinheitlichen..

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    So z.B. die allgemein westliche 08/15 Meinungskultur das Herr Putin/Russland "böse" ist.. Oder als Gegensatz die allgemein russische 08/15 Meinungskultur, das die EU/USA "böse" ist...

    Und dann die `freie Presse´ die da versucht, im Namen von Frieden und Annäherung, die 08/15 Meinungen der Kriegerzeugenden Gegensätze konstruktiv zu kritisieren und zu überwinden... (seufz*)

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    08/15 ist der "Warme Sumpf in dem wir alle sitzen" ...

  • 08/15 steht für "Standard", nicht für "Durchschnitt".

  • Parallel zum ständigen Appell, durch wahlweise mehr Konsum, mehr Leistung, mehr Erfolg, mehr positive Ausstrahlung aus der grauen Masse herauszufallen, wird allerdings auch der Rahmen zum Ausleben eines zufriedenen bescheidenen Mittelmaßes zusehends eingeschränkt:

     

    Der Springbrunnen im Park plätschert nicht mehr, weil angeblich kein Geld mehr dafür da ist, die dazugehörige Parkbank wurde demontiert, weil diejenigen, die dort saßen, nicht genehm waren. Diejenigen, die genehm gewesen wären, haben keine Zeit mehr zum Entspannen auf der Parkbank. Fehlende Mittagspausen und meist unbezahlte Überstunden reichen nur für den Coffee to go und irgendwas vom Discounter, um kurz vor 20 Uhr schnell eingepackt.

     

    Auch in die beschauliche und für Normalbürger mittelmäßige Schweiz fallen die Deutschen mit ihrem Hang zur Mehrleistung für weniger Geld, ihrem freiwilligen Verzicht auf die in der Schweiz heilige Mittagspause und den frühen Feierabend massenhaft ein und bringen im Gefolge ihre Aldis und Lidls gleich mit. Die individuelle Jack-Wolfskin-Jacke wird im billigen Outlet gekauft, der individuelle Weber-Angebergrill für die individuelle Gartenparty im individuellen Baumarkt. Abends sitzt man vorm individuellen Großbildschirm bei Sky und schaut sich die tollen individuellen US-Serien an, über die man dann am nächsten Tag im Büro ein paar individuelle Worte verliert.

     

    Das Auto ist natürlich kein Golf, sondern ein pfiffiger kleiner Retro-Car für die Frau mit der ebenso pfiffigen und individuellen Strähnchen-Kurzhaarfrisur und für den Mann nach wie vor ein unauffälliger A6, weil Firmen-Leasingwagen. Nur Insider sehen die kleinen individuellen Sonderausstattungsdetails und nicken sich wissend zu…

  • Fragen Sie bitte Ulf Poschardt. Der wird`s wissen.

  • 08/15 das ist der VW Golf, das iPhone6, BigMac, Coke, Facebook, Urlaub an der Costa Brava, SPD, CDU und H&M. Aber in der Summe kommt am Ende schon wieder etwas Individuelles bei heraus. Ich finde die Deutschen als Volk streben geradezu danach möglichst Durchschnitt zu sein. Ich selbst schwimme lieber gegen den Strom, ich mache aber kein Paradigma daraus.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Bei BIS ZU sechs Mann müssen diese noch nicht einmal stark sein. 19,5 Kilo geteilt durch bis zu 6 = 3,25 bis zu 19,5 Kilo, falls es doch einer alleine schaffen sollte.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      "das von bis zu sechs Mann bedient wurde...."

       

      Bedient, nicht getragen.

  • Aus einem Motivationsvideo: "Get to the point where you get allergic to average!"

    Ich glaube alle Menschen sind am Anfang ihres Lebens allergisch auf den Durchschnitt, keiner will da sein, das ist was unangenehmes. Das Leben ist aber eine einzige Hyposensibilisierung, was dazu führt, dass der eine früher, der andere später sich daran gewöhnt hat und es nicht mehr als schlimm empfindet. (sich mit seiner Situation abfindet)

  • Es ist meiner Meinung nach eine Frage des Alters und der Sichtweise auf sich und das Leben, welches man führt. Wenn der Wagen ein VW ist, war der nicht ganz billig. Dafür musste ich lange arbeiten und mich einschränken. Wenn das Haus ein Reihenhaus ist, dann schätze ich mich mal eben sehr glücklich, mir ein Haus leisten zu können. Hätte ich das mit Anfang 20 vom Leben erwartet? Ganz sicher nicht. Da hatte ich nämlich einfach mal keine Vorstellung vom Leben. Es kam einfach auf mich zu und ich habe die Tage, Wochen und Jahre einfach gelebt. Aber rückblickend ist mein Leben gar nicht so 08/15 und selbst wenn, who cares? Ich bin zufrieden, so wie es ist.

  • Wer es im ersten Weltkrieg mit Verweis auf die eigene Individualität gewagt hätte, das Marschieren mit dem 08/15 abzulehnen, der hätte was erleben können. Nicht unbedingt was Angenehmes. Heute, wo sich kaum noch wer erinnert daran, was "Nullachtfuffzehn" war (danke, liebe taz, fürs Erinnern), verhält es sich beinah schon umgekehrt. Sollte uns das etwa zu denken geben?

     

    Vielleicht. Übrigens: Wenn 08/15 eine Waffe ist, dann kann man sie womöglich gegen jene richten, die zwar nicht das technische Gerät herübergerettet haben in unsre gute neue Zeit, wohl aber die Idee vom Drill und die Hoffnung auf den Sieg, für den andere bezahlen. 19,5 Kilo sind gar nicht so furchtbar viel. Das wiegt ein durchschnittlicher Fünfjähriger. Den kriegt die Mama notfalls auch allein gehoben, wenn sich partout keine sechs starken Männer finden lassen wollen.

     

    Merke: Es kommt weniger auf die Technik an, als vielmehr auf den, der sie bedient.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Was ist schon gut - und was ist schlecht? Die Frage stellt sich mir nicht recht.

     

    08/15, das graue Mittelmaß, ist für mich EIN Teil des Lebens. Es wird für mich dadurch erträglich, dass ich das Glück nicht (mehr) in der außergewöhnlich-bizzaren Sensationsgeschwängertheit suche, sondern im Kleinen.

     

    Der plätschernde Springbrunnen im Park. Das Vogelgezwitscher am frühen Morgen, das mir sagt: der Tag beginnt auch ohne mich, ich kann mich umdrehen und solange weiterschlafen, wie ich es will. Das Lächeln einer Frau. Der an mir hochspringende Hund meiner Nachbarin, der sich vor Freude nicht mehr einkriegt. Jedenfalls solange, bis sich sein schmerzender Rücken meldet. Das Spiel kleiner Kinder, fernab von Zeit und Raum. Die unerwartete Hilfbereitschaft von Mitmenschen, die mich zu Tränen rührt. Kommentare in diesem Forum, die meine Lust am Streit mit Wörtern stets neu entfachen.

     

    All dies steht neben 08/15.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Wenn jeder Mensch, so wie immer behauptet, ein Individuum ist, gibt es keinen 08/15-Menschen. Und wenn es doch solche gibt, sind sie keine Individuen.

     

    Es ist jedoch abwegig, das Individuum durch Konsum schaffen zu wollen, denn hierbei können nur Abziehbilder herauskommen, egal in welcher Auflagezahl. Denn der Konsum macht das Gegenteil dessen, was er suggeriert: er prägt den 08/15-Menschen wie weiland das MG mit dieser Typenbezeichnung und nivelliert ihn, auch wenn seine geborgte Strahlkraft manch einem - durch ihn schlicht gehaltenes oder gebliebenes - Gemüt Besonderheit vorgaukelt.

     

    Wer individuell sein und sich dadurch vom Durschnitt abheben will, muss eine Anstrengung von innen erbringen. Er muss sich selbst prägen, er-ziehen, bilden. Indem er dies tut, wird er erst zu dem, was der Mensch dem Tier angeblich voraushat. Mit 08/15-Menschen ist zudem kein Staat zu machen, jedenfalls kein demokratischer.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @849 (Profil gelöscht):

      Um Individuum zu sein, muss ich mich nicht zwingend vom Durchschnitt abheben WOLLEN, das Abheben selbst (im Tun, nicht in der Absicht) reicht völlig aus.

       

      Für dieses Land sind Menschen à la 08/15 nötig, zu viel Individualismus, d.h.: zu ausgeprägtes Nachdenken und 'richtiges' Handeln wäre für Kaltland äußerst 'gefährlich'.