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Die StreitfrageFür was würden Sie Ihr Land verraten?

Viele empören sich über den Vorwurf des „Landesverrats“ gegen die Blogger von netzpolitik.org. Vielleicht beginnt der Verrat aber auch schon im Kleinen.

Keine Angst, ein Verrat kann auch ganz harmlos sein. Foto: dpa

Wann haben Sie das letzte Mal ihr Land verraten? Als Sie geheime Dokumente an Wikileaks geschickt haben? Oder als Sie an die französische Riviera anstatt an die Ostsee gefahren sind und sich ein lokales Auto gemietet haben, um nicht als Deutscher erkannt zu werden?

Landesverrat – das klingt nach Spionage und Agentenfilmen. Nach Dissidenten in autokratischen Regimen, die ins Ausland flüchten müssen, weil sie die Machenschaften von korrupten Politikern offenlegen. Im demokratischen Deutschland hat Landesverrat etwas Absurdes und Verstaubtes. Mit der „Spiegel-Affäre“ im Jahr 1962 schien dieses Gesetz endgültig als beerdigt. Worum ging es dabei überhaupt noch einmal?

Nach deutschem Strafrecht begeht eine Person Landesverrat, die einer fremden Macht ein Staatsgeheimnis verrät oder es öffentlich bekanntmacht, um das Land zu benachteiligen. Dieses Verbrechen wurde vergangene Woche den Journalisten Markus Beckedahl und Andre Meister von netzpolitik.org von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen. Beckedahl und Meister hatten ein Geheimdokument veröffentlicht, in dem es um die Massendatenerfassung durch den Verfassungsschutz geht. 2,75 Millionen Euro sollten demnach eingesetzt werden um „massenhaft Internet-Inhalte zu erheben und auszuwerten, darunter Kontaktlisten und Beziehungsgeflechte bei Facebook“.

Mit diesem ungeheuren Vorwurf haben sich Bundesjustizminister Heiko Maas und Generalbundesanwalt Harald Range vor allem ins eigene Bein geschossen. Die öffentliche Empörung und Solidaritätsbekundung mit den Journalisten ist groß. Manche sagen sogar, nicht die Journalisten, sondern die Geheimdienste selbst betrieben Landesverrat, weil sie mit der NSA zusammenarbeiteten.

Nun ruhen die Ermittlungen zunächst. Auch weil keiner der Ankläger mehr wissen will, wer denn nun die Vorwürfe gemacht hat und ob sie wirklich gerechtfertigt sind. Wenn noch nicht einmal die obersten öffentlichen Amtsinhaber wissen, ob und wann jemand sein Land verrät, wie soll es dann jeder Einzelne von uns wissen? Wo hört die Pressefreiheit auf? Wo fängt Landesverrat an? Und gibt es ihn auch schon im Kleinen?

Verrät man sein Land, wenn man den Sauerbraten falsch anschneidet? Und was bringt so ein Verrat überhaupt? Auf Landesverrat steht eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bis hin zu „lebenslänglich“. Wir sollten uns einigen, was wir genau darunter verstehen.

Was bedeutet Landesverrat für Sie? Und für was würden Sie ihr Land verraten? Diskutieren Sie mit! Wir wählen unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlichen sie in der taz.am wochenende vom 08./09. August 2015. Ihr prägnantes Statement sollte nicht mehr als 400 Zeichen umfassen und mit Namen, Alter, einem Foto und den Kontaktdaten der Autorin oder des Autors versehen sein. Schicken Sie uns bis Mittwochabend eine Mail an: streit@taz.de

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21 Kommentare

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  • Schon FJS - konnte gekonnt -

    geschauspielt wie bei Onkel Herbert -

    lospoltern - "Hmmpf humpff . .Soo - pff

    Soo kööns die Froogen doch nett -Stüllen!" - eben.

     

    Aber hören wir mal den Experten:

    "Whistleblower waren hier diejenigen Insider aus dem Bereich des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder einer anderen staatlichen Behörde, die den Journalisten die dann von Netzpolitik.org publizierten Daten und Informationen zugespielt haben. Diese Whistleblower waren offenbar der Auffassung, dass die Öffentlichkeit über bestimmte Vorgänge und Fehlentwicklungen im Bundesamt für Verfassungsschutz informiert werden müsse. .. " - also nix . ..Verrat!!

    &

    " . .. Die beiden Journalisten Andre Meister und Markus Beckedahl vom Online-Portal "Netzpolitik.org", gegen die sich das von Generalbundesanwalt Range eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen des angeblichen Verdachts von Landesverrat richtet, waren keine Whistleblower. Sie waren lediglich die Boten, die Übermittler der Enthüllungen, die offenbar auf Whistleblower zurückgehen.. . ."- ahja!

     

    kurz - wenn der Bote zweimal klingelt -

    Ists nur die Wahrheit -

    Aber kein Verrat - eben! -&

    Von was auch immer - . .

    Land oder . & . .auch .. .&noch ->

    kürzer - Eh egal!

    http://www.heise.de/tp/artikel/45/45661/1.html

    (Danke - Dr. Dieter D.)

  • Nachtrag

    Es heisst ja auch "Generalbundesanwalt" und nicht "Generalandesanwalt"

    In beiden Begriffen steckt militärisches.

    Zucht und Ordnung, wer sich dem General nicht fügt ist nicht Loyal, ein Verräter?

    Heute wohl eher ein Terrorist ;-)

  • Wusste ich doch,

    wir leben im Mittelalter, uralte königliche Gesetze werden umgesetzt.

     

    Landesverrat, was für ein tolles anachronistisches Wort welches aus dem germanischem Stammesrecht "Lex Salica" kommt. https://de.wikipedia.org/wiki/Lex_Salica

    Germanisches Stammesrecht, die Reichen kaufen sich frei, die Armen werden erhängt oder dem Scheiterhaufen anheim gegeben.

    Hoeneß kann demnächst das Gefängnis verlassen, derjenige der nicht fälschungssichere Lebensmittelgutscheine der Arge kopierte,

    wurde zu einer längeren Haftstrafe als der U. Hoeneß verurteilt.

     

    "Verrat ist ein besonders schwerer Vertrauensbruch, der die angenommene Loyalität verletzt."

    Unser Rechtssystem ist veraltet, im Mittelalter und im kanonischen Rechtssystem hängen geblieben.

    Es müsste wenn schon Bundes-/ nicht aber Landesverrat genannt werden.

    Wie war das noch mit dem Dr. h.c. Kohl und dem Fred Apostel?

    Eine fette Lüge und Meineid wurde als Motivationsirrtum umgedeutet.

    Es ist die Aufforderung vor Gericht zu lügen und betrügen, es passiert nichts.

     

    Warum sollte das Volk einer durch und durch illoyale Bundesdauerregierung verpflichtet sein?

    Wenn, dann ist die Quelle eines Verrat im Reichstag und nicht bei 82 Millionen Bundesbürger zu verorten.

  • @Anamolie:

    " Doch wer aus voller Seele haßt das Schlechte,

    Auch aus der Heimat wird es ihn verjagen,

    Wenn dort verehrt es wird vom Volk der Knechte.

     

    Weit klüger ist's, dem Vaterland entsagen,

    Als unter einem kindischen Geschlechte

    Das Joch des blinden Pöbelhasses tragen.

    (August von Platen-Hallermünde)

     

    Mensch muss das nicht unbedingt auf geografische Heimat beziehen.

  • Landesverräter können aus rein egoistischem oder ethisch-moralischem Antrieb heraus handeln. Diese Differenzierung allein macht eine Bewertung erst möglich. Wenn ich davon überzeugt bin, dass es nicht mehr "mein" Land ist, ist Landesverrat natürlich eine Option, da mein geliebtes Land eine Scholle in mir ist - mein Gewissen. Dieses darf nicht an einem falschen, patriotischen Ersatzgewissen zerspringen.

    • @lions:

      Henry Thoreau -

      Es gibt Zeiten - da ist es ehrenvoller

      im Gefängnis zu sitzen -

      Gewiß - & so ähnlich;

       

      Aber - erst mal nüchtern -

      Runterzählen&Spießumdrehen - &

      Was Sache ist & ob & überhaupt!

       

      kurz - Im Zweifel - klug wie Schlangen - & Leben! ->

      Each hand tells!

  • Ich würde mein Land und jeden der die Verantwortung für dieses Land trägt verraten, wenn meine Menschenrechte, die demokratische Grundordnung oder mein Leben in Gefahr geraten. Geheimdienste und Staatsvertreter die gegen die Verfassung und die Grundrechte der Menschheit verstoßen müssen verraten werden - und zwar ohne Rücksicht auf Verluste - Ließen wir die da oben gewähren, endeten wir bald in einer Diktatur. Die DDR war eine Parade-Beispiel dafür!

  • Müsste ich, um "mein" Land zu verraten, nicht erst einmal patriotisch denken?

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Für was ich dieses Land verraten würde? Für mich ist dies nicht die entscheidende Frage. Eher an wen. Anfang der 1980er Jahre gab es bei meinen Verwandtschaftsbesuchen im Osten mehrere Anwerbeversuche durch die Stasi. Ich war immun dagegen, weil ich das preußische Spießertum Zeit meines Lebens verachte.

     

    Wäre die frühere DDR für mich das Land gewesen, in dem Milch und Honig fließen: die Sache wäre damals anders ausgegangen. Dann hätte ich es vermutlich sogar umsonst getan.

     

    Ergo: für mich eine Frage der Überzeugung und weniger des Lockmittels.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      DDR & Lockmittel¿ - prusst!!

      Keine Frage - doch - ??? ->

       

      Überzeugung vs Milch&Honig fließen -

      ??¿¿ - Ja wie?!

       

      Lassen's mich doch bitt -

      Ihr logikInner -tum & mit -

      Genießen!

      Danke

  • Landesverrat ist, wenn man eine Revolution kategorisch ausschließt.

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "Mit der „Spiegel-Affäre“ im Jahr 1962 schien dieses Gesetz endgültig als beerdigt."

     

    In den 60ern SCHIEN vieles endgültig seiner Beerdigung entgegen zu gehen, aber nur für die Leichtgläubigen und Heuchler - der Verrat an der Menschlichkeit geht erst zuende, wenn Mensch sich entschließt den Geschäftssinn zu begraben!

  • Wer ist von was abgerückt? Der Verfassungsschutzpräsident beklagt, aus seinem Hause würden "ständig" Dokumente an die Öffentlichkeit gelangen. Da sich der Laden "Geheimdienst" nennt, eine böse Sache. Sein Dienstherr gefällt das, kommt es doch zum gewünschten Rundumschlag gegen die Presse. Tatsächlich "die Geheimdienste selbst betrieben Landesverrat, weil sie.." die Papiere weitergaben. Nicht der Journalist ist der Verräter, sondern sein Informant. Daher auch die Anklage gegen unbekannt. Die veröffentlichten Dokumente mögen unbedenklich sein, doch was ist mit denen, die noch nicht im Internet stehen? Anders als bei anderen, hat der Verfassungsschutz eine besondere Aufgabe. Er soll das Grundgesetz schützen. Zur Zeit machen mal wieder die "Reichsdeutschen" von sich Reden. Die könnten sogar einen Putsch planen. Jedenfalls soll das Amt alles, was nicht dem Quellenschutz abträglich ist, im Verfassungsschutzbericht öffentlich machen. Einige fordern sogar, das Amt in eine Art Bürger-Forum umzuwandeln, weil dann breiter beleuchtet werden kann, wo Gefahren drohen. Daher meint netzpolitik.org nicht die Veröffentlichung sondern das Programm zur Massendatenerfassung sei illegal.

  • Für einen Sack Kartoffeln.

  • Mein land? Kann ich verraten: Es ist Deutschland. Kein Geheimnis, das. Steht sogar im meinem Pass ...

     

    Ach so - sorry! Unter welchen Umständen ich etwas tun würde, was diesem seltsamen Gesetz zuwiderliefe? Dazu müsste ich ja erst einmal dazu in der Lage sein, also eine sehr theoretische Frage ... da sei die ebenso unkonkrete Antwort "Wenn es mir das wert wäre" wohl erlaubt.

    Einzelfallprüfung heißt das wohl?

  • Für n Appel und n Ei.

  • 2G
    23879 (Profil gelöscht)

    Falsche Fragestellung. Die Herrschenden sind nicht das Land.

     

    "Man darf nicht warten bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. ... Drohende Diktaturen lassen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen haben." (Kästner)

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Schland hat es einfach nicht verdient, daß es nicht verraten wird.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Landesverrat ist z.B., wenn man gewählten Volksvertretern den Einblick in Selektorenlisten verweigert, die ein fremder Geheimdienst warscheinlich zum Schaden, aber sicher nicht zum Wohle Deutschlands beauftragt bzw. benützt hat. Auf jeden Fall ist es strafbar, wenn man die Aufklärung von Straftaten eines anderen Geheimdienstes gegenüber Deutschland behindert oder sogar unterbindet.

  • Ihr wollt also meine Kontaktdaten, nachdem ich euch gestanden habe, wofür ich mein Land verraten würde...... Nachtigall, ick hör dir trapsen! ;)

  • Welcher Teil des Landes ist gemeint?

     

    Die Bevölkerung? Nur, wenn die in eine Diktatur abdriftet.

     

    Die politische Klasse?

     

    Jederzeit.