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Die StreitfrageGeburt zu Hause oder in der Klinik?

Absurd hohe Versicherungskosten für Hebammen machen Hausgeburten fast unmöglich. Aber ist eine Geburt in der Klinik nicht eh' besser?

Kurz nach der Geburt. Mutter und Kind sind wohlauf Bild: dpa

Steht die Geburt des eigenen Kindes bevor, muss man sich mit einer Vielzahl von wichtigen Fragen auseinandersetzen. Eine ganz grundsätzliche lautet: Haus- oder Klinikgeburt? Nach Angaben des Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung lag der prozentuale Anteil von außerklinischen Geburten zwischen 2002 und 2012 nur zwischen 1,36 und 1,83 Prozent – wobei hierzu aber auch die ungeplanten außerklinischen Geburten gezählt wurden.

Die Zahl mag klein sein, aber Eltern, die sich für eine außerklinische Geburt entschieden, wurden in jüngster Zeit mit einem Problem konfrontiert – denn es gab kaum noch Möglichkeiten, eine freiberufliche Hebamme für eine Hausgeburt zu finden. Das lag daran, dass sich der Berufsstand einer erneuten Erhöhung der Haftpflichtversicherungskosten auf mehr als 5.000 Euro ausgesetzt sah. Die Erhöhung, die mit den gestiegenen Kosten für schwere Geburtsschäden begründet wurde, stellte eine Bedrohung der Existenz freiberuflicher Hebammen dar.

Im Laufe des Jahres wurde nach einer politischen Lösung gesucht – schließlich beschloss der Deutsche Bundestag einen zweistufigen Plan zur Entlastung der Hebammen. Bis zum Jahresende müssen der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen und die Hebammenverbände nun Leitlinien für die Geburtshilfe vorlegen – die Leistungen der Hebammen sollen dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen und in der fachlich gebotenen Qualität erbracht werden.

Kritik an der Normierung des Geburtsprozesses

Das Für und Wider einer Geburt zu Hause beziehungsweise einem Geburtshaus mit der fachlichen Unterstützung freiberuflicher Hebammen wird derweil lebhaft diskutiert. Die FürsprecherInnen von Hausgeburten betonen oft die Natürlichkeit des Geburtsvorgangs und betrachten den Kreißsaal als inadäquate Umgebung, um auf die individuellen Bedürfnisse der Gebärenden eingehen zu können. Sie kritisieren die Normierung des Geburtsprozesses im Krankenhaus und lehnen den mechanischen Charakter des dortigen Ablaufs sowie den hohen Einsatz von Medikamenten ab.

Die GegnerInnen der häuslichen Geburt warnen wiederum vor deren Romantisierung. Sie halten die Erhöhung der Haftpflichtversicherungsprämien für freiberuflich tätige Hebammen für gerechtfertigt, da sie ein hohes Risiko für Mutter und Kind bei außerklinischen Geburten sehen. Dass ein Mediziner bei einer Geburt in unmittelbarer Reichweite ist, ist nach Ansicht vieler HausgeburtskritikerInnen eine absolute Notwendigkeit.

Was meinen Sie zur Frage „Haus- oder Klinikgeburt“? Welche persönlichen Erfahrungen mit dem Thema haben Sie gemacht? Und wie haben diese Erlebnisse Ihre Einstellung zu Haus- beziehungsweise Klinikgeburten geprägt?

Diskutieren Sie mit! Wir wählen unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlichen sie in der taz.am wochenende vom 13./14. Dezember 2014. Ihr prägnantes Statement sollte nicht mehr als 400 Zeichen umfassen und mit Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Schicken Sie uns eine Mail an: streit@taz.de

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15 Kommentare

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  • @Pippilotta_Viktualia: "entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage" - siehe meine Ausführungen zu den statistischen Erhebungen. Das Risiko für Kind und Mutter bei Komplikationen im Rahmen einer Hausgeburt oder einer Geburt im Geburtshaus ist eindeutig höher als dies bei einer ärztlich betreuten Geburt der Fall ist.

  • @LLAWEN: Sie schreiben "irgendwann sind vielleicht auch 3 Stunden ohne Geburtsfortschritt um. In der Klinik MUSS dann interveniert werden" und " Dann wird schnell eingeleitet, oft tagelang" - ich vermute, sie haben Ihre Erfahrungen (wenn Sie tatsächlich welche haben) vor mehreren Jahrzehnten gemacht. Im heutigen Ablauf sieht dies völlig anders aus.

    • @ff123:

      Meine Erfahrungen sind sehr aktuell, sowohl beim Thema Einleitung als auch beim Geburtsstillstand. Wollen etwa anzweifeln, dass eine Einleitung bei ET+3 -ET+7 gängige Praxis ist und diese sich häufig über mehrere Tage hinziehen oder dass Kliniken keine "Standards" haben, nach denen verfahren werden muss? Wie sehen Ihre Erfahrungen denn aus? Und im Ernst: Wie schnell erkennt ein Arzt eine Pathologie, wenn er in der Ambulanz beschäftigt ist? Eine Hebamme wenn sie noch 2 oder 3 andere Geburten betreut?

  • Interessanterweise werden Ärzte (meist Notärzte) auch nach Hause oder ins Geburtshaus geholt, wenn dort etwas schief läuft. Was die wenigsten jedoch wissen: stirbt das Kind oder die Mutter dann an den Folgen der im Rahmen der Hausgeburt entstandenen Komplikationen, so wird dies ab diesem Zeitpunkt in der Statistik des jeweiligen Krankenhauses aufgeführt, in das der Notarzt die Hilfebedürftigen gebracht hat - und nicht mehr in der des Geburtshauses bzw. der Hebamme. Würde die Statistik korrekt geführt, dürfte sich für so manche werdende Mutter die Frage Arzt ja/nein sicherlich leichter beantworten lassen.

  • Der Artikel suggeriert, freiberufliche Hebammen würden vornehmlich in der außerklinischen Geburtshilfe arbeiten.

    Das mag in Berlin vielleicht zutreffen; im Süden Deutschlands arbeitet der Großteil der Krankenhaushebammen freiberuflich.

     

    Der Artikel suggeriert, nur außerklinisch tätige Hebammen hätten hohe Prämien für ihre Berufshaftpflichtversicherung zu tragen.

    Das trifft nicht zu; im Krankenhaus tätige freiberufliche Hebammen zahlen dieselben Prämien wie außerklinisch arbeitende.

     

    Der Artikel suggeriert, nur für freiberuflich tätige Hebammen gäbe es hohe Versicherungsprämien.

    Das trifft nicht zu; die Versicherungsprämien, die Krankenhäuser mit angestellten Hebammen für geburtshilfliche Stationen zahlen müssen sind mit denen für freiberufliche Hebammen vergleichbar.

     

    Der Artikel suggeriert, hohe Prämien für Haftpflichtversicherungen in der Geburtshilfe sei nur ein Problem der Hebammen.

    Das trifft nicht zu; Gynäkologen, die geburtshilflich arbeiten, zahlen Prämien in Höhe von 40000 und vereinzelt sogar 80000 Euro - also etwa zehnmal so viel wie Hebammen.

     

    Der Artikel suggeriert, die hohen Prämien für die Haftpflichtversicherungen seien durch ein höheres Risiko bei außerklinischen Geburten verursacht.

    Das trifft nicht zu; die Prämien für klinische und außerklinische Geburtshilfe sind identisch und werden sogar (wegen der höheren Fallzahl) aufgrund der Risiken bei klinischen Geburten berechnet.

     

    Der Artikel suggeriert, der Autor habe nicht ausreichend mit dem Thema beschäftigt und habe stattdessen eine Vorlage für Bullshitbingo geliefert.

    • @bmuenzer:

      Treffender Kommentar. Ich war sehr enttaescht von diesem Taz Artikle. Wo haben die Autorinnen recherchiert?

      Die Hebammenwissenschaft etabliert sich gerade in deutschland- warum wurde keine Hebammenprofessoring gefragt?

    • @bmuenzer:

      Danke! You made my day!

  • Selber bin ich Mutter von 4 Kindern habe klinisch, ambulant und zu Hause entbunden. Schade, dass ich mich nicht beim ersten Mal für die Hausgeburt entscheiden konnte. Der Druck von außen und die Medien hatten mir ein sehr verzerrtes Bild der Geburt suggeriert, so wagte ich es nicht. Schlussendlich hatte ich die Hausgeburt beim 4. Kind - es war meine schönste Geburt. In der Klinik fühlte ich mich wie eine Patientin, die schwerst krank war und unbedingt Hilfe benötigte, welche sich kontraproduktiv auf den Geburtsvorgang auswirkte. Zu Hause war ich Frau - und konnte alles wohlwollend aushalten und loslassen - alles ging nach meinem Tempo. Es hatte nichts mit Romantik zu tun - nein - es waren die natürlichen Abläufe, die durch Klinikroutine nicht unterbrochen wurden. Geburt ist etwas ganz Natürliches und Intimes, welches seinen Platz sehr wohl zu Hause haben sollte, sofern nicht eine medizinische Indikation vorliegt. Natürlich steht die freie Entscheidung ganz oben - aber die wird uns gerade genommen - wie in so vielen Dingen - siehe auch Kinderbetreuung - nicht mehr selber gebären und nicht mehr selber aufziehen - gruselige Zukunftsvisionen.

    • @Kerstin Pukall:

      Meine erste Geburt war eine rigide, unter ärztlicher Leitung ablaufende Klinikgeburt, die ich in sehr unguter Erinnerung habe. Meine weiteren vier Kinder habe ich ambulant, begleitet von einer Hebamme, der Arzt war immer erst ganz zum Schluss dabei, entbunden. und mich jedesmal wieder über den Ablauf und die Umstände der Geburt meines ersten Kindes geärgert. Jetzt steht eine meiner Töchter kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes-in Kanada. Und siehe da, die Hebammen können während der Schwangerschaft alle Vorsorgeuntersuchungen machen, einschließlich Ultraschall und Labor, Hausgeburten sind nicht sooo häufig, werden aber auch nicht so abwehrend diskutiert und keine Frau muß sich rechtfertigen, diese Entscheidung zu treffen. Im Gegenteil, es gibt diesbezüglich eine gute Betreuung vor der Geburt von sehr gut ausgerüsteten Hebammen, die sechs Wochen lang nachbetreuen. Die Frage ist nicht Hausgeburt oder nicht, das ist eine Frage der Stukturen des jeweiligen Gesundheitssystems, das in Kanada dem unseren grundsätzlich nicht so unähnlich ist und es ist eine Frage der gesellschaftlichen Wertschätzung eines wichtigen Berufsstandes und seiner Vertreterinnen. Dann kann Geburt als natürlicher, intimer Vorgang seinen Platz zuhause und in der Familie haben. und ganz sicher ist es auch eine Frage von: wer rechnet Geburt mit welcher Leistung ab.

  • "Und auch ich würde vor einer unnötigen "Romantisierung" der Hausgeburt warnen wollen. Wenn tatsächlich etwas schief geht, dann ist nämlich guter Rat teuer."

    Ich würde von der Überschätzung von Laienmeinungen abraten.

    Ich schätze ihre fachliche Kompetenz in Bezug auf Hausgeburten eher gering ein.

  • Also, ich weiß nicht. Jedes Paar, deren Frau ein Kind erwartet, kann sich ja im Vorfeld in verschiedenen Kliniken erkundigen, inwiefern der Geburtsvorgang dort "mechanisiert" und "normiert" ist und die werdende Mutter mit Medikamenten vollgestopft wird. Meinen Erfahrungen bzw. denen meiner Frau (zwei Kinder) entspricht dies ganz und gar nicht. "Kreißsaal" klingt auch recht häßlich, normalerweise sind dies heute keine OP-Säle mehr, sondern ganz normale Zimmer, halt für die Bedürfnisse einer Geburt ausgestattet. Und das Personal war bei beiden Geburten super nett und hilfsreich, auch während der Tage nach der Geburt. Und beim zweiten Kind waren wir heilfroh, in einer "richtigen" Klinik zu sein, da es ziemliche Probleme bei der Geburt gab.

    Der Mühe, sich vor der Geburt des Kindes die in Frage kommenden Kliniken anzusehen und auch mit den dortigen Ärzten zu sprechen, sollte man sich schon mal unterziehen. Viele Häuser bieten ja auch Besichtigungstermine und Gesprächsrunden an. Und auch ich würde vor einer unnötigen "Romantisierung" der Hausgeburt warnen wollen. Wenn tatsächlich etwas schief geht, dann ist nämlich guter Rat teuer.

    • @Der_Peter:

      Das Problem in der Klinik ist, dass sich mechanisierte Abläufe gar nicht vermeiden lassen. Irgendwann ist einfach Schichtwechsel und irgendwann sind vielleicht auch 3 Stunden ohne Geburtsfortschritt um. In der Klinik MUSS dann interveniert werden, auch wenn es sich um eine physiologische Latenzphase handelt. Weil es eben dem Klinikstandard entspricht.

      Die Wahrheit sieht leider so aus, dass die meisten Probleme in der Geburtshilfe selbst gemacht sind. Eine Geburt folgt ihrem ganz eigenen Rhythmus, den Mutter und Kind vorgeben und der, auch wenn es immer heruntergespielt wird, enorm von der Psyche der Frau abhängt. Als Patientin nimmt man eine andere Rolle ein, als als Frau zuhause.

      Ins Krankenhaus geht es auch schnell, wenn man über den Geburtstermin hinaus geht. Dann wird schnell eingeleitet, oft tagelang, obwohl bekannt ist, dass es kaum Komplikationen gibt, auch wenn man 14 über dem Termin ist. Einleitungswehen sind häufig viel schmerzhafter als natürliche, weil der Muttermund aber noch nicht bereit ist, bringen sie auch kaum etwas. Im Krankenhaus fühlt man sich schnell krank. Ruckzuck geht es auf das Kreißbett, das nun mal immer noch in der Mitte fast jedes Kreißsaals steht. Und das obwohl Geburt Bewegung ist! Eine PDA macht einen noch unbeweglicher. Durch die Entspannung bleiben die Wehen aus, der Wehentropf wird angeschlossen, das erschwert womöglich den Stillstart, trotz guter Wehen findet das Kind den Weg ins Becken nicht, Schaukellagerung, findet das Kind jetzt den Weg, hat es noch eine Chance normal zu kommen, wahrscheinlich aber doch mit Hilfe einer Saugglocke oder Zange. Findet es den Weg nicht mehr kommt es eben per Kaiserschnitt. Man hat ja alles versucht.

    • @Der_Peter:

      Die Frage ist doch: Hat sie sich freiwillig dazu entschieden?

       

      Jede Frau hat das Recht ins Krankenhaus zu gehen.

      Aber genauso sollte sie ihr Kind auch zuhause gebären dürfen.

    • @Der_Peter:

      Ich stimme DER_PETER voll und ganz zu. Auch ich habe zwei Geburten in einer Klinik erlebt und war vom Ambiente und von der Betreuung in keiner Weise enttäuscht. In meinen Augen sind Hausgeburten auch mit einem höheren Risiko für Kind und Mutter verbunden und sollten genau überlegt werden. Das soll nicht heißen, das ich Hausgeburten ablehne. Inzwischen gibt es ja auch noch die Hardcoregeburten in der freien Wildbahn. Da fehlt sogar die Hebamme.

      • @matschmi:

        "In meinen Augen sind Hausgeburten auch mit einem höheren Risiko für Kind und Mutter verbunden und sollten genau überlegt werden. "

         

        Das ist keine fachliche Meinung und entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Grundlage.