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Die Scharia kommt

Gambia will das islamische Strafrecht einführen – Teil einer von Libyen unterstützten Islamisierung Westafrikas

BERLIN taz ■ Der westafrikanische Kleinstaat Gambia will das islamische Recht „Scharia“ einführen. Präsident Yahya Jammeh sagte am Donnerstag in einer Rede zum Abschluss des Fastenmonats Ramadan: „In der Vergangenheit war ich tolerant, aber meine Regierung bereitet die Einführung des islamischen Rechts nächstes Jahr vor.“

Die Ankündigung kommt in einem Klima wachsender religiöser und politische Spannungen. Ende Oktober zerstörten Islamisten in der Hauptstadt Banjul mehrere Kneipen. Im November wurden geplante Kommunalwahlen auf unbestimmte Zeit verschoben. Mitte Dezember löste die Regierung die von einem christlichen Bischof geleitete unabhängige Wahlkommission des Landes auf, entgegen einem Urteil des Obersten Gerichts.

85 Prozent der knapp über eine Million Einwohner Gambias sind Muslime. Der 35-jährige Präsident Jammeh putschte sich 1994 als Soldat an die Macht und ließ sich 1996 als Zivilist zum Präsidenten wählen. Damals führte er seinen Wahlkampf unter dem Banner des Islam. Gefragt, woher das Geld für millionenschwere Prestigeprojekte komme, war seine Standardantwort damals: „Von Allah.“

1999 hatte Jammeh in seiner Rede zum Ende des Ramadan bereits dazu aufgerufen, dem Islam „den ihm gebührenden Platz“ zu geben, und die Muslime des Landes scharf kritisiert. „Die meisten Gefangenen, Säufer und Prostituierten sind Muslime“, sagte der Präsident damals. „Viele Muslime, die heute beten, werden sich danach beeilen, eine Weinflasche zu finden um sich zu besaufen, wie immer“.

Die Scharia ist in Westafrika zwar weithin im Zivilrecht gebräuchlich, aber ihre Anwendung im Strafrecht oder gar ihre Erhebung zum Verfassungsrang ist ein Politikum. Ihre Ausbreitung in Westafrika wird vor allem von Libyen finanziell gefördert. Libyscher Einfluss hat der Scharia in Teilen Nigerias zum Durchbruch verholfen, zum Missfallen der dortigen Regierung. Gambias Präsident gilt als Freund Libyens, das unter Jammehs Herrschaft die Ausbildung der gambischen Streitkräfte von Nigeria übernahm.

Gambias Politik hat Bedeutung über die Landesgrenzen hinaus. Als Angehöriger des Dioula-Volkes ist Präsident Jammeh Stammesbruder von Separatisten im benachbarten Senegal wie auch von Oppositionellen in Guinea-Bissau, Guinea und Elfenbeinküste. Immer wieder wird er in den Konflikten dieser Länder als Vermittler herangezogen. DOMINIC JOHNSON

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