■ Die Reform des Beamtenstatus der Professoren ist zentral für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochschulen: Besitzstände aufgeben
Sollen Professoren keine Beamten mehr sein? Wir sollten uns die Antwort auf diese Frage nicht so leicht machen. Schließlich geht es um mehr als die so gern kritisierten Dienstaltersstufen, die Unkündbarkeit oder die Pensionsansprüche ohne eigene Beitragsleistungen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen im internationalen Vergleich steht auf dem Spiel.
„Ihr seid nicht mehr gut und rasch genug“, hat der frühere Bundespräsident Roman Herzog in seiner Bildungsrede 1997 den deutschen Hochschulen zugerufen und damit unter anderem deren Unterfinanzierung moniert. Ebenso wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit sind aber die Strukturen der Unis. Allen voran muss die längst überalterte kameralistische „Haushälterei“ auf den Prüfstand, die Mittel für Bildung und Forschung immer noch als konsumtive Ausgaben ansieht, anstatt sie korrekt den Investitionen zuzurechnen. Auch die zu stark disziplinorientierte, kleinteilige Organisation der Forschung an manchen Universitäten steht in der Kritik. Nicht anders die für den internationalen Austausch von Studierenden wie Wissenschaftlern hinderlichen peinlichen Bürokratismen im Ausländer- und Beschäftigungsrecht. Ganz zu schweigen von den qualitätsfernen Kapazitätsvorschriften für die Zulassung von Studierenden. Die auf ein altes Bundesverfassungsgerichtsurteil zurückgehenden Vorgaben für den Personalaufwand in der Lehre haben in einigen Fächern unzumutbare Arbeitsbedingungen für Lehrende und Lernende erzeugt.
Im Zentrum der Verbesserung des Wettbewerbs der Hochschulen aber steht – neben einer angemessenen Finanzausstattung – die Reform der ungleichen Beschäftigungsvorschriften. Kaum mehr strittig ist dabei, dass dem Staat dienstliche Treue über Jahrzehnte sowohl beim Gehalt als auch bei der Beförderung mehr wert ist als herausragende Leistung oder besonderes Engagement. Die bisher noch zu zaghaft umgesetzte Idee, individuell unterschiedliche Leistungen zu bewerten und hieraus Konsequenzen zu ziehen, bedeutet zwar eine grundlegende Veränderung der Prinzipien, die bisher den Einstellungs-, Beförderungs - und Vergütungsregeln des öffentlichen Dienstes in Deutschland zugrunde liegen. Die aber zielen eher auf verlässliche, um nicht zu sagen: gleichförmige Erledigung übertragener Aufgaben. Das Gehalt wird dabei nicht für eine vollbrachte Leistung bezahlt.
Beamte werden alimentiert – das heißt nichts anderes als: Sie erhalten Unterhalt. Schon die Begrifflichkeit verdeutlicht, dass wir es hier mit einer „Erbschaft“, mit einem Besitzstand aus der Zeit des Obrigkeitsstaates zu tun haben. Diesem war nichts fremder als Dynamik, Innovationsbereitschaft, Einfallsreichtum im Dienst. Genau jene Eigenschaften also, die wir heute dringend benötigen.
Es ist gar nicht zu leugnen, dass ein verlässlicher, fachlich kompetenter, unbestechlicher und „stets zu Diensten“ stehender Apparat von Staatsdienern im 19. Jahrhundert einen großen Fortschritt darstellte. Er ermöglichte einen „aktiven“ Sozial- und Leistungsstaat. Nicht zu leugnen ist aber auch, dass heute im Selbstverständnis vieler, wohl der meisten StaatsdienerInnen, nicht mehr der Dienst- und Treuegedanke im Vordergrund steht. Sie erwarten für gute Arbeit in ihrem „Job“ gutes Geld – für exzellente Arbeit auch mehr, und Aufstiegschancen dazu.
Die meisten deutschen Hochschulen sind staatliche Einrichtungen. Sie dürfen sich in den Fragen von Forschung und Lehre oder Nachwuchsbildung selbst verwalten. Aber beim Haushalt und bei der Bewirtschaftung der Liegenschaften sind sie noch weisungsgebunden. Forschung, Lehre, Prüfungen: Das alles wird als hoheitliche Tätigkeit begriffen. Die Hochschule erlässt Verwaltungsakte, gegen die bei den Verwaltungsgerichten Widerspruch und Klage geführt werden können. Solche Verwaltungsakte müssen von hoheitlich autorisierten Personen vollzogen werden, eben von Beamten. Das jedenfalls ist die Auffassung vieler Staatsrechtler, und im monarchischen Obrigkeitsstaat des 19. Jahrhunderts hatte das auch seine Berechtigung.
Im Kampf für eine „lebende“ Verfassung oder ein demokratisch gewähltes Parlament spielten sowohl die „Pressefreiheit“ als auch die Freiheit, neue wissenschaftliche Ideen öffentlich und frei von staatlicher Genehmigung vertreten zu können, eine enorme Rolle. Der „kluge“ Staat hat den darin liegenden Nutzen erkannt und den Universitäten einen autonomen Bereich eingeräumt.
Hierbei war die besonders unabhängige und gegenüber der sonstigen Beamtenschaft noch weitergehend privilegierte Stellung der Professorenschaft bedeutsam. Heute aber wenden sich die beamtenrechtlichen Schutzvorschriften ins Gegenteil. Die Universitätsprofessoren werden in der Freiheit geschützt, ihre wissenschaftliche Arbeit frei zu gestalten. Sie haben im Prinzip keine festen Arbeitszeiten zu beachten und unterliegen Weisungen von Vorgesetzten nur insoweit, als diese sich auf die organisatorische Funktionsfähigkeit der Hochschulen beziehen und in einem rechtsförmlichen Verfahren ergangen sind. Die im Gegenzug zu erfüllenden Verpflichtungen sind allgemein gehalten. Im Idealfall überprüft die scientific community den „wissenschaftlichen Marktwert“ des Professors. Auch die Kollegen an der eigenen Uni üben eine gewisse Kontrollfunktion aus – die aber ist entscheidend geschwächt, weil man Kollegen nicht zu nahe treten will.
Die Erfahrungen, die Studierende mit ihren Professoren machen, spielen bisher nur eine untergeordnete Rolle. Das wird sich ändern. Die enorme quantitative Expansion des Hochschulbereichs hat ebenso wie die gewandelte Einstellung zu Arbeit, Beruf und Geld die schon früher häufig eher zweifelhaften Mechanismen kollegialen Wettbewerbs und akademischer Selbstkontrolle in Frage gestellt. Was wir heute brauchen, ist mehr Wettbewerb um Anreize beim Einkommen und bei den Arbeitsbedingungen, und zwar für alle Lehrenden, nicht nur für C 4-Professoren. Was wir brauchen, ist die Chance zum zeitlich befristeten Wechsel ins Ausland und aus dem Ausland, in private Unternehmen und aus diesen. Was wir brauchen, sind Teilzeitstellen auch für ProfessorInnen. Was wir brauchen, sind Arbeitsverträge, in denen Rechte und Pflichten detaillierter als bisher niedergelegt sind.
All das ist mit dem bisherigen Beamtenstatus der Professoren kaum vereinbar. Dass ein Angestelltenvertrag die Wissenschaftsfreiheit, die ein hohes Gut bleiben muss, nicht beeinträchtigen muss, zeigen uns die Erfahrungen in Kanada, England oder – seit kurzem – in der Schweiz. Seien wir nicht so engherzig. Wir sind der jungen Generation etwas schuldig – einen wirklichen Aufbruch!
Klaus Landfried
Beamte werden alimentiert, das heißt nichts anderes als: Sie erhalten UnterhaltDie Gehälter der Beamten werden nicht für vollbrachte Leistungen bezahlt
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