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Sachsens Grüne Ex-Ministerin zu CDU-Idee„Die Rechnung geht so aber nicht auf“

Das sächsische CDU-Innenministerium findet Gleichstellungsbeauftragte verzichtbar. Katja Meier, ehemalige grüne Ministerin für Gleichstellung, hält davon nichts.

Vom Gleichstellungsgesetz profitieren Frauen und Männer gleichermaßen Foto: Jens Kalaene/dpa
David Muschenich
Interview von David Muschenich

taz: Frau Meier, bis zum Ende letzten Jahres waren Sie noch Gleichstellungsministerin in Sachsen. Nun heißt es auf einer Liste aus dem CDU-geführten Innenministerium: Ein Verzicht auf Gleichstellungspläne sei möglich. Haben Sie so einen guten Job gemacht?

Katja Meier: Schön wär’s, wenn wir auf Gleichstellungspläne verzichten könnten. Leider sind sie noch immer nötig, weil Gleichstellung eben nicht von allein passiert.

Bild: Foto: bündnisgrüne sachsen
Im Interview: Katja Meier

(B90/Grüne) ist Abgeordnete im Sächsischen Landtag. Von 2019 bis 2024 war sie Sächsische Staatsministerin der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung.

taz: Sie sehen das anders?

Meier: Wir haben vergangenes Jahr mit dem Gleichstellungsgesetz das Frauenfördergesetz von 1994 ins 21. Jahrhundert gebracht und die Gleichstellung im öffentlichen Dienst gestärkt. Zum Beispiel mit Regelungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie – davon profitieren übrigens Frauen und Männer gleichermaßen. Außerdem haben wir die Gleichstellungsbeauftragten gestärkt und die Gleichstellungspläne verbindlich gemacht. Und auch die Kommunen müssen nun schon ab einer geringeren Ein­woh­ne­r:in­nen­zahl kommunale Gleichstellungsbeauftragte bestellen: früher lag die Grenze bei 20.000, jetzt liegt sie bei 17.000. In Sachsen gibt es jetzt 41 hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte.

taz: In einem Papier des Innenministeriums führt es nun 66 „Vorschläge für Gesetzesänderungen“ aus, die die Kommunen entlasten sollen. Dort geht es auch um die Gleichstellungsbeauftragten. Was hat das Innenministerium denn vor?

Meier: Es geht um zweierlei: einerseits um die Gleichstellungsbeauftragten, die in die Verwaltung in den Kommunen hineinwirken. Sie sollen aus dem Geltungsbereich des Gleichstellungsgesetzes ausgenommen werden. Und andererseits geht es um die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, die sich für die Gleichstellung vor Ort in den Kommunen oder Landkreisen einsetzen. Für sie hat das Innenministerium zwei Varianten skizziert: Entweder soll die Schwelle wieder angehoben werden, ab wann sie hauptamtlich eingesetzt werden, oder die Pflicht zur Bestellung einer Gleichstellungsbeauftragten soll gleich ganz abgeschafft werden.

taz: Laut Innenministerium arbeiten in der kommunalen Verwaltung überall mehr Frauen als Männer. Warum braucht es dort Gleichstellungsbeauftragte?

Meier: Wenn man nur auf die nackten Zahlen schaut, stimmt das. Nur ist es halt wie überall im öffentlichen Dienst: Wir haben einen hohen Frauenanteil von mehr als 60 Prozent. Aber wenn wir uns die Leitungspositionen anschauen, da finden wir eben nicht im gleichen Maße Frauen.

taz: Die Kommunen in Sachsen müssen sparen. Wenn sie keine Gleichstellungsbeauftragten stellen würden, wäre das doch eine gute Entlastung.

Meier: Die Rechnung geht so aber nicht auf. In den nächsten Jahren gehen viele Beschäftigte in Sachsen in den Ruhestand, die demographische Belastung ist hoch. Die Kommunen müssen deshalb schauen, dass sie attraktiv für Frauen und junge Familien sind. Und dafür sind natürlich die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten gut, als Ansprechpartner:innen, wenn es etwa um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, um Kita-Plätze, um häusliche Gewalt geht oder die Busanbindung für Frauen im Schichtdienst schlecht ist.

taz: In den Vorschlägen auf dem Papier des Innenministeriums geht es ja auch um Bürokratieabbau, dagegen hat doch niemand etwas.

Meier: Nicht alle Vorschläge sind schlecht. Aber die zu den Gleichstellungsbeauftragten sind es. Sowohl das Grundgesetz als auch die sächsische Verfassung verpflichten den Staat, die Gleichstellung von Frauen und Männern aktiv zu unterstützen. Die Gleichstellungsbeauftragten sind eine konkrete Maßnahme dafür. Ihre Abschaffung wäre kein Bürokratieabbau, sondern würde wichtige Strukturen abbauen. Das ist ein fatales Signal. Ich bin froh, dass sich die Gleichstellungsbeauftragten sehr schnell zusammengetan haben, um der Landesregierung deutlich zu machen, was das bedeuten würde.

taz: Sie haben ja selbst fünf Jahre Erfahrung als Koalitionspartnerin der CDU in der Regierung gesammelt. Wieso ist denn die Idee, Gleichstellungsbeauftragte zu reduzieren oder zu streichen, auf dieser Liste des Innenministeriums gelandet?

Meier: Ich habe den Eindruck, da hat jemand erstmal eine Liste mit allen möglichen Ideen zusammengestellt. Die wurde dann veröffentlicht, ohne dass jemand aus der Ministeriumsspitze noch einmal politisch draufgeschaut hat. Und dass diese Liste ohne Kenntnis der zuständigen Sozialministerin und stellvertretenden Ministerpräsidentin Petra Köpping von der SPD in die Welt geschickt wird, zeigt, wie diese Koalition arbeitet.

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3 Kommentare

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  • "Und dass diese Liste ohne Kenntnis der zuständigen Sozialministerin und stellvertretenden Ministerpräsidentin Petra Köpping von der SPD in die Welt geschickt wird, zeigt, wie diese Koalition arbeitet." Vorbei an interner Abstimmung; also Trump auch hier: Flooding the zone with shit. Sofort kommen die Rest-Progressiven in die Defensive und müssen schon eine Verteidigung des bisher Geltenden als Erfolg erkämpfen. Wo doch mehr Gleichstellung wichtig und richtig wäre. Arbeitskraft und Aufmerksamkeit wird gebunden und die geneigte Presse in der News-Halbwüste Sachsen orchestriert einen weiteren "Gender-Gaga"-Aufstand, der sich irgendwann auch in den Wahlergebnissen niederschlagen könnte.

  • Der Kretschmer findet dieses Gleichberechtigungs-Gedöhns sehr wahrscheinlich zu woke. Außerdem kommt er damit auch der AfD noch ein bisschen mehr entgegen... quasi win win!

  • Nicht mal bei den Gleichstellungsbeauftragten gibt es eine ausgeglichene Quote.