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Die Privatisierung ist kein Weg

Die Zukunft der Bühnen ist nur über Reformen zu sichern: Alice Ströver (Grüne) plädiert für neue Instrumente und Strukturen, um Theater langfristig zu erhalten. Andere Rechtsformen und Fonds

Interview BETTINA MÜLLER

taz: Die Berliner Bühnen klagen über Defizite in Millionenhöhe. Allein 17,6 Millionen Mark fehlen, um die Personalkosten zu bestreiten. Was tut die Regierungskoaltion von CDU und SPD, um diesem Defizit zu begegnen?

Alice Ströver: Die Koalition setzt für den Haushalt 2000 auf die „vorläufige Haushaltswirtschaft“: Da muss jede Ausgabe, wirklich jeder Vertrag, jeder Bleistift in der Kulturverwaltung vorgelegt werden.

Soll das sparen helfen?

Ich halte das für einen Irrtum, dass so die Defizite aufzufangen sind, zumal bei den Millionen, die den Opern fehlen. Außerdem ist es ein wahnsinniger bürokratischer Aufwand, der auch die betriebswirtschaftliche Verantwortung der Häuser aushebelt. Im Grunde ist das eine Bankrotterklärung von Politik und Verwaltung.

Ihre Fraktion hat die Einrichtung eines Fonds für den Personalüberhang vorgeschlagen, was ist daraus geworden?

Die Kulturverwaltung wird bis Ende Juni einen Bericht vorlegen, in dem sie diesen Vorschlag und die Möglichkeit, die Rechtsformen zu ändern, überprüft. Bis zum 31. März müssen sich alle Häuser outen und die verzichtbaren Stellen mit KW-Vermerken („kann wegfallen“) markieren. Sie haben ja fast alle von überflüssigem Personal geredet. Die Staatsoper ist neben dem Carroussel-Theater die einzige Institution, die Stellen aufgelistet hat, die sie abgeben würden, aber mit 1,2 Millionen Mark bezahlen müssen. Das sind teils hochdotierte Posten von Inspizienten, Bibliothekaren, auch von Sängern und aus dem Orchester.

Im Moment entsteht ein Konsens, dass die Kultur mit neuen Tarifverträgen und eingesparten Stellen aus dem Schlamassel herauskommen könnte. Ist das nicht verdächtig, das gerade an der Kultur vorzuexerzieren?

Das ist immer verdächtig. Trotzdem: Es gibt in den Häusern zu viele Strukturen, die für die künstlerische Arbeit unproduktiv sind. Das ist natürlich immer ein schmerzlicher Eingriff.

Befürchten Sie nicht die Konfrontation mit den Gewerkschaften?

Wenn das jetzt nicht angepackt wird, befürchte ich viel mehr, dass entweder Schließungen unausweichlich werden oder wir auf betriebsbedingte Kündigungen zusteuern. Wir brauchen deshalb einen runden Tisch, an dem Verwaltungen, Gewerkschaften und die Häuser miteinander diskutieren. Der Fond könnte aus dem „Kapitel 1709, Personalüberhang“ des Kulturetats finanziert werden, der bei der Schließung des Schillertheaters gegründet werden musste. Das Land Berlin und die jeweiligen Theater sollen die Finanzierung teilen. Die Mitarbeiter könnten bei Aushilfsbedarf in einzelnen Häusern eingesetzt oder an den Messebau ausgeliehen werden. Dafür zahlt die Messe an das Land. So wird ein Teil refinanziert und die Häuser können Einsparungen bringen.

Strukturreformen werden schon lange gefordert. Warum wird erst jetzt darüber gemeinsam diskutiert?

Der frühere CDU-Kultursenator Peter Radunski hatte immer den Topf vom geschlossenen Metropol-Theater, mit dem er Löcher gestopft hat, und im letzten Jahr zusätzlich 60 Millionen Bundesförderung, die in Defizite geflossen sind. Eine Liste, wie die Hauptstadtförderung im Haushalt 2000 angelegt wird, fehlt übrigens immer noch.

Seit den Siebzigerjahren wird ein großer Teil der Kultur in der Freien Szene im Theater, Musik, Tanz und Kino schon anders produziert: Mit hohem Risiko und Bedingungen, die man nur ein paar Jahre aushält. Was jetzt Mitte so attraktiv gemacht hat, verdankt sich solchen Einsätzen. Dahin floss nur ein kleiner Teil der Subventionen. Werden diese Modelle jetzt belohnt?

Da werden die Etats gekürzt, ganz dramatisch. Das angemeldete Defizit der Landesbühnen für das Jahr 2000 von 17,6 Millionen umfasst knapp so viel Geld, wie insgesamt für freie Gruppen, Veranstaltungen und Projekte zur Verfügung steht. Das ist das eigentliche kulturpolitische Problem: Wir erhalten nur, was wir fördern müssen, aber für Neues, Innovatives, Schräges haben wir überhaupt keine Mittel. Die Schere klafft immer weiter auseinander. Wir schneiden uns vom Nachwuchs ab.

Die Grünen hatten auch einen Investitionsfonds vorgeschlagen, um Mittel für Reparaturen der Theaterbauten bereitzustellen.

Das ist vertagt worden auf den Hauptausschuss. Die Verteter der Koalition denken eher an eine Landesbürgschaft: Dass die Häuser, die für Umstrukturierungen Geld brauchen, vom Land eine Bürgschaft erhalten, mit der sie zur Bank gehen können. Unser Vorschlag ist, dass man die Investitionsmittel für die Wissenschaftsprojekte Philosophie und Geschichte in Adlershof zurückstellt und diese für die Bauprojekte Volksbühne, Komische Oper und Gorki-Theater in Anspruch nimmt.

Es wird noch über einen dritten Vorschlag in Berlin diskutiert: CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky favorisiert die Privatisierung der Theater.

Ich halte das für den schlechtesten Weg. Welches Risiko man eingeht, konnten wir am Metropol erleben: Dort hat man 380 Bühnenmitarbeiter genötigt, dem Übergang in eine private GmbH zuzustimmen, und als dann der Intendant René Kollo mit dem vorhandenen Geld nicht wirtschaften konnte, war die Pleite da.

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