piwik no script img

Die Niederungen des FußballsWeißer und männlicher wird’s nicht

Profifußball ist zu absurd geworden, aber die Regionalliga Nordost ist noch einmal ein ganz besonderer Fall. Man könnte Verschwörungen vermuten.

Chemie Leipzig Spieler Benjamin Luis wurde rassistisch beleidigt Foto: Roger Petzsche/imago

V ielleicht werde ich paranoid, oder es ist tatsächlich eine riesige Verschwörung im Gange. Als ich aufhörte, mich für die höheren Ligen des Profifußballs zu interessieren, weil mir allzu viel daran lächerlich und zynisch erschien, unterbrach Corona den Spielbetrieb der unteren Ligen; seit dieser Saison läuft die Regionalliga Nordost wieder. Aber seitdem tut die Liga, was sie kann, um mir mein zartes Interesse wieder zu verleiden.

Es beginnt mit dem Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV): Bei einem der paar Spiele, bei der TeBe antreten konnte, wollte der Verein für Cura werben, einen Hilfefonds für Opfer rechtsradikaler, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Der Verband untersagte die Werbung, sie sei politisch und deswegen nicht mit den Statuten vereinbar. Außerdem habe man „die Sorge, dass sich eine bestimmte Gruppe von Personen durch die Werbung provoziert fühlen könnte“. Wer aber könnte das sein? Na ja, Rechtsradikale, Ras­sis­t*in­nen und An­ti­se­mi­t*in­nen eben. Das sind die Leute, deren Gefühle dem NOFV besonders am Herzen liegen.

Passend zu dieser Geisteshaltung grüßt der BFC von der Tabellenspitze. 27 Punkte aus 10 Spielen, 27 Tore geschossen, nur 9 kassiert. Es gibt keinen Verein, dem ich das weniger gönne. Neulich haben sie zu Hause gegen Chemie Leipzig gespielt, und bereits während des Spiels sollen die BFC-Fans mit Kies gefüllte Becher Richtung Chemie-Bank geschmissen haben. Chemie-Spieler Benjamin Luis wurde rassistisch beleidigt, dem Gästetrainer Miroslav Jagatic wurde zugerufen, seine Sippe gehöre vergast.

Auf der anschließenden Pressekonferenz war sich BFC-Trainer Christian Benbennek nicht zu schade zu sagen, dass nichts Besonderes passiert sei, das sei zwar alles nicht schön, aber so sei der Fußball nun einmal. Wahrscheinlich stimmt das aus BFC-Sicht sogar, schließlich hat der Verein in seiner Pressemitteilung beklagt, Gästetrainer, -fans und -spieler hätten die Situation „angeheizt“.

Pool für rassistische Hools

Seit Jahrzehnten ist der BFC ein Pool für rassistische Hools und rechtsextreme Gewaltbereite. Es ist ein Witz, wenn die Vereinsführung jedes Mal die Einzelfalldiskussion aufmacht und ans Ende seiner Pressemitteilung schreibt, der Verein setze „sich auch weiterhin gegen Rassismus ein“ und biete eine sportliche Heimat für Menschen „unabhängig ihrer Herkunft, Religion oder Hautfarbe“. Ob ihre Presseabteilung eigentlich schon mal im Stadion gewesen ist, wenn der BFC spielt? Weil, weißer und männlicher wird’s nicht.

Es gibt auch Leute im Verein, die das wissen: 2017 sagte der Sprecher des Fanprojekts, Arthur Starker: „Ein Banner ‚BFC­ler gegen Rassismus‘ können wir vergessen.“ Weil, das würde wahrscheinlich, um es in den Worten des NOFV zu formulieren, „eine bestimmte Gruppe von Personen provozie­ren“.

Der NOFV hat angekündigt, ein Sportgerichtsverfahren einzuleiten. Ebenjenes Sportgericht hat gerade den Saarbrücker Spieler Dennis Erdmann wegen Rassismus für acht Spiele gesperrt. Am Ende wird man ironischerweise dem BFC den Aufstieg wünschen müssen, damit solche Vorfälle wie gegen Chemie besser dokumentiert und verfolgt werden. Es ist eine Verschwörung. Oder jahrzehntelange Untätigkeit von Verantwortlichen und die Bereitschaft, Rücksicht auf Rechtsextreme zu nehmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Danke, daß Sie aus dem BFC Dynamo einen Solitär formen und den FC Carl Zeiss Jena und sein Anhängerschaft völlig ausblenden.



    Ironie/Sarkasmus.

  • Zwei Dinge kann man dem BFC auf gar keinen Fall absprechen,



    1. Ihre fast durchweg rassistischen Fans, und



    2. dass er für Menschen „unabhängig ihrer Herkunft, Religion oder Hautfarbe“ eine sportliche Heimat bietet. Dort ist jeder willkommen, der kicken kann, oder, zumindest bei Kindern, Spaß daran hat. Wer das versucht in's lächerliche zu ziehen, tritt den dort träinierenden Migrantenkindern in den Allerwertesten!

  • Schließ nahtlos an die Geschichte des BFC zu DDR-Zeit an. Die Stasitruppe von Mielkes Gnaden und seine rechten Fans lösten schon da Abscheu bei allen anderen Clubs aus.

    • @Hans aus Jena:

      Sie scheinen keine Ahnung von der Geschichte des BFC zu haben, sondern kennen vmtl eher die Berichterstattungen der Nachwendezeit.

      Rufe wie "Zyklon B für BFC" oder "Gib Gas, wenn der BFC durch die Gaskammer rast" waren auch bei Spielen gegen den CZ Jena keine Seltenheit, ebenso die Gewaltbereitschaft einiger Fans.