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Die Kunst der WocheVerschwenderisch am Himmel

Feuerwerke aus Licht und Farben: Kunst zu Pyrotechnik in der Kunstbibliothek und Dawid Tomaschewskis leuchtende Schnittkunst im Kunstgewerbemuseum.

Malte Bartsch, „Rakete, Feuerwerk, Gummiband“, C-Print, 2019 Foto: © Malte Bartsch

„Nicht durch höhere Vollkommenheit scheiden sich die Kunstwerke, sondern gleich dem Feuerwerk dadurch, dass sie aufstrahlend zur ausdrücklichen Erscheinung sich aktualisieren. Sie sind nicht allein das Andere der Empirie: alles in ihnen wird ein anderes“, so Theodor W. Adorno in seiner „Ästhetischen Theorie“. Sehr wahrscheinlich braucht es also das Feuerwerk auch in Zukunft.

Obwohl es, was Leben und Gesundheit angeht, höchst fragwürdig ist: Nämlich nicht das Andere der Empirie, sondern ein riesiger Datensatz des damit verbundenen Unglücks, wie es der Flyer der Deutschen Umwelthilfe darlegt, die Partner der Ausstellung der Kunstbibliothek im Kulturforum „Durchgeknallt und Abgebrannt. Feuerwerkskünste aus fünf Jahrhunderten“ ist.

Tatsächlich stammen die Instrumente und Methoden des Feuerwerks aus dem Krieg, wie gelehrte Traktate zur „Pirotechnia“ (Venedig 1540) oder zur „Kriegs- und Archeley Kunst“ (Frankfurt am Main 1620) in der Ausstellung belegen. Da sich mit Schwarzpulver aber nicht nur Munition verschießen, sondern auch ein überraschend schöner, feuriger Funkenregen erzeugen ließ, verbanden sich im Barock die naturwissenschaftlichen Disziplinen Chemie, Physik und Mathematik mit den schönen Künsten wie Architektur, Bildende Kunst, Theater und Musik, um diese menschengemachte Himmelserscheinung als zweckfreie Feuerwerkskunst zu gestalten.

Die verblüffende Vielzahl historischer Stiche von verschwenderischen Festen mit Feuerwerk aus der Zeit von 1587 (Dieter Graminäus, Fürstliche Hochzeit, 16. Juni 1585, Köln) bis 1806 (Louis Le Coeur, Krönung Kaiser Napoleons I. und Joséphine des Beauharnais, 16. Dezember 1804), beziehungsweise 1933, als Willy Römer das Feuerwerk der Nazis zum 1. Mai fotografierte, hatte Maren Wienigk, Leiterin in der Ornamentstichsammlung der Kunstbibliothek, auf die Idee gebracht, nicht nur die eigenen, sondern auch die anderen Sammlungsbestände der Stiftung Preußischer Kulturbesitz für eine Ausstellung zu sichten.

Die Ausstellungen

Durchgeknallt und abgebrannt: Feuerwerkskünste aus fünf Jahrhunderten. Kulturforum, Matthäikirchplatz, bis 9. Februar 2025, Di.–So. 10–18 Uhr, Mi. 10–20 Uhr; mit Begleitprogramm, u. a. 30. 11., 19 Uhr: Drohnenshow am Kulturforum, im Rahmen des Thementages der Deutschen Umwelthilfe

Excess in Elegance. Dawid Tomaszewski: A Decade and a Half. Kunstgewerbemuseum, bis 26. Januar 2025, Mi.–Fr. 10–17, Sa./So. 10–18 Uhr, Matthäikirchplatz

Bei rauschenden Festen an den Höfen von Versailles und Dresden wurden eigens errichtete Burgen abgebrannt und künstliche Berge in die Luft gesprengt. Die Leidenschaft fürs Feuerwerk teilte auch eine wohlhabende östliche Hauptstadt in der Edo-Zeit, wie es auf dem Farbholzschnitt von Utagawa Kunisada heißt, der ein Fest am Fluss an der Ryōgoku-Brücke zeigt. Das Problem, mit dem all diese Darstellungen zu kämpfen haben, nämlich all die einzelnen, flüchtigen Figuren des Feuerwerks einzufangen, hat dann Michael Wesely mit seiner Langzeitbelichtung gelöst. Bei ihm sehen wir die ganze Silvesternacht 2017 in Rio de Janeiro.

Minimalistische Opulenz

Auf ein Feuerwerk – der Begriff muss jetzt sein – an Entwurfsideen, Materialien und innovativen, aber präzisen handwerklichen Verarbeitungstechniken stößt man nur wenige Schritte weiter bei Dawid Tomaschewski im Kunstgewerbemuseum. Mit der Sonderausstellung „Excess in Elegance: Dawid Tomaschewski – a Decade and a Half“ bedankt sich das Museum für die großzügige Schenkung von über 60 seiner Kreationen durch den polnisch-deutschen Modedesigner. Seit 15 Jahre also gibt es sein Label, das er nach einem Modestudium in London und Berlin (bei Vivienne Westwood), einem Kunstgeschichtsstudium in Posen und Stationen bei Sonia Rykiel, Givenchy und Comme des Garçons, 2009 in Berlin gründete.

Dawid Tomaschewski macht Haute Couture. Entwirft Abendkleider und vor allem geniale Abendanzüge, wobei er mit einzigartigen, weil in Material und Design immer selbst entwickelten Stoffen arbeitet, dazu kommen aufwendige Stickereien, Pailletten, die er selbst modifiziert, Federn und Swarovski-Steine. Gleichzeitig entwirft er Kollektionen für den Shopping-TV-Sender QVC, eine Kooperation, die ihm die nötige finanzielle Unabhängigkeit für seine Haute Couture und eine kleine luxuriöse Ready-to-wear-Kollektion gibt.

Dawid Tomaszewski, Abstrakt gemusterter Hosenanzug, Colour Screens, Herbst/Winter 2019/20 Foto: © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / David von Becker, CC0

Dank des Mottos „More is more, less is shit“, das gleich zu Beginn in leuchtend blauer Neonschrift von der Wand strahlt, kann man schon ahnen, was einem auf dem Ausstellungsrundgang durch alle Etagen und Abteilungen des Kunstgewerbemuseums an Pracht begegnen wird.

Was man nicht ahnen kann, sondern eben erfahren muss, ist die großartige Balance von Schnitt, Farbe, Material und Muster, die Tomaschweskis Entwürfe auszeichnet. Seine Haute Couture ist das paradoxe Erlebnis von minimalistischer Opulenz.

tazplan

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Das Konzept der Ausstellung, Tomaschweskis Kleider nicht chronologisch, sondern thematisch zu präsentieren, macht die Begegnung mit ihnen besonders eindrücklich. Von den ‚Anfängen in Polen‘ über ‚Federn‘, ‚Design und Exzess‘, ‚Drama‘, ‚Drucke und Brokate‘, ‚Shopping Exzess‘, ‚Couture und Best of‘ wie die acht Kapitel der Ausstellung überschrieben sind, lassen sich wiederkehrende Motive (wie das Wiener Geflecht) und ihre Entwicklung im Lauf der Jahre zu erkennen, aber auch deutlich neue Ansätze und wie sie sich entfalten, etwa in der Verschmelzung von Anzug und Tüllkleid. Steht man erst einmal vor dem gelben Hosenanzug von Bill Kaulitz, wie er ihn auf dem Plakat der Netflix-Serie „Kaulitz & Kaulitz“ trägt, beneidet man ihn darum um so mehr.

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