Die Kunst der Woche für Berlin: Die Liebe zur Macht

Yalda Afsah lässt bei Between Bridges Tiere und Menschen aufeinander los. Frieda Toranzo Jaeger öffnet bei Barbara Weiss Herzen und Autotüren.

Filmstill aus "Curro": Ein Mann im weißen T-Shirt steht auf einem rotbraunen Pferd. Sie bewegen sich durch eine mit Farn bewachsene Landschaft. Hinter Ihnen sind Nadelbäume zu sehen.

Mensch und Wildpferd in Beziehung in Yalda Afsahs „Curro“, 2023, 32 min Foto: Courtesy the artist and Between Bridges

Die Anspannung ist beim Anschauen der Videos fast körperlich spürbar. Schweiß fließt, durchnässt Kleidung und Haare der Männer. Wie im Rausch umzingeln sie eine Herde brauner Wildpferde, treiben sie brutal zusammen. Worum es hier geht, lässt sich an den T-Shirts ablesen, die einige der Männer tragen. Yalda Afsah hat die „Rapa das Bestas“ gefilmt, ein jahrhundertealtes Ritual, das in einigen galicischen Dörfern noch immer einmal im Jahr praktiziert wird. Die Wildpferde werden dafür auf einem Platz, dem „Curro“, eingekesselt, um sie dort zu trimmen und zu markieren.

Die Kamera der Künstlerin geht ganz nah heran, streift langsam, scheinbar dokumentarisch über das Geschehen hinweg, zeigt Fell und Haut in Großaufnahme, Schnittfolgen, Handgriffe, die erbarmungslos, mit voller Muskelkraft ausgeführt werden, Posen der Dominanz. Für den eigentlichen Akt des Scherens stürzen sich je zwei Männer auf ein Tier, klammern sich um den Hals des Pferdes, während ein dritter die Mähne kürzt. Wer ist hier die Bestie? Mensch oder Tier? Und wer beherrscht wen?

Yalda Afsah war die erste Stipendiatin des neuen Residenzprogramms von Between Bridges, die Ausstellung im Residency Raum bildet dessen Abschluss. Schon seit längerem interessiert sich die Künstlerin für komplizierte, intensive Mensch-Tier-Beziehungen, für ritualisierte menschliche, meist männliche Versuche, Tiere zu unterwerfen. In ihren Filmen geht es um Zähmung und Dressur, um Stierkampf oder um vergleichsweise harmlose Taubenzucht, um das, was Menschen mit Tieren machen – eigentlich aber noch mehr um das, was das wiederum mit Menschen macht.

„Heart Core“

Yalda Afsah: „Curro“, Between Bridges, Mi.–Sa. 12–18 Uhr, bis 27. Mai, Keithstr. 15

Frieda Toranzo Jaeger: „Heart Core“, Galerie Barbara Weiss, Di.–Sa. 11–18 Uhr, bis 3. Juni, Kohlfurter Str. 41/43

Auch die Malerin Frieda Toranzo Jaeger beschäftigt sich mit männlich konnotierten Machtfantasien. Sie benutzt dafür Bilder von Automobiltechnologien neuester Generation, malt das Innere von Hybridfahrzeugen, die selbst fahren können, von Fetischen also, die die Kontrolle übernommen haben: einerseits vom Menschen erdacht, diesen aber gleichzeitig obsolet machend, schließlich braucht es keinen mehr, der solche Autos steuert. Menschliches Begehren, sei es nach Macht oder nach Liebe, nach Eroberungen jedweder Art ist ein Thema, das Toranzo Jaeger immer wieder umtreibt.

Installationsansicht von Frieda Toranzo Jaeger in der Galerie Weiss. Ein aus bemalten Holzelementen zusammengesetztes Herz in den Tönen Rosa und Grau hängt vpn der Decke der Galerie.

Frieda Toranzo Jaeger, „Open your heart because everything will change“, 2023 Foto: Jens Ziehe; Courtesy the artist and Galerie Barbara Weiss, Berlin

Visuell bringt die mexikanische Künstlerin dafür ikonografische Anspielungen oder auch konkrete Motive des westlichen Kunstkanons mit präkolumbianischer Stickerei zusammen, Symbole göttlicher Allmacht mit solchen, die auf hyperkapitalistischen Größenwahn oder den Klimawandel verweisen.

Und auf Vorstellungen von Romantik. „Heart Core“ heißt ihre neue Ausstellung bei Barbara Weiss nicht ohne Grund. Herzen finden sich da viele, gestickte und gemalte, geöffnete und von Kabeln und Drähten durchzogene. In der Mitte des Raums hängt die zentrale Arbeit von der Decke, ein aus Leinwänden zusammengesetztes herzförmiges Objekt, das an einen Motor und eine kompliziert aufgebaute Maschine erinnert, aber mit Perlen, Zöpfen, Schleifen geschmückt ist. „Open your heart because everything will change“ lautet ihr Titel, was wie eine jener überpositiven Affirmationen der Coaching-Industrie klingt, die zu einem optimierten Selbst und besseren Leben verhelfen sollen.

Oder schwingt da doch eher echter Optimismus mit, wie der Text der Pressemitteilung suggeriert? Dass wir Veränderungen zulassen und uns auf sie einlassen müssen, um eine Zukunft oder gar eine bessere Welt zu ermöglichen, steht freilich außer Frage.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Redakteurin für Berlin Kultur, freie Kulturjournalistin und Autorin. Für die taz schreibt sie vor allem über zeitgenössische Kunst, Musik und Mode. Für den taz Plan beobachtet sie als Kunstkolumnistin das Geschehen in den Berliner Galerien und Projekträumen.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.