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■ Die Koalitionskrise um den Testpanzer für die Türkei endete mit einem Achtungserfolg für die Grünen. Sie waren zur Beschönigung des Kanzler-Affront gegen ihren Außenminister nicht bereitGenscher wäre das nicht passiert

In der Koalitionsrunde am Montagabend war Außenminister Joschka Fischer eher undiplomatisch: Eine Verbesserung der Menschenrechtslage in der Türkei müsse auf jeden Fall nachprüfbarsein, bevor weitere Leopard-II-Panzer an den Bosporus geliefert würden, so der Grüne. Da gab es keine Verhandlungsmasse. Da war er hart. „Klare Verbindlichkeiten“ müssten her. Punkt.

Denn für die Grünen und erst recht für ihren Außenminister galt es zu retten, was zu retten war – ohne die Koalition zu kippen. Mit dem Votum des Bundessicherheitsrats am vergangenen Mittwoch für die Entsendung eines Probepanzers in die Türkei hatten die Grünen, allen voran Joschka Fischer, eine klare Niederlage erlitten. Die Koalition rollte in eine ernste Krise. Denn für linke wie Realo-Grüne sind Waffen- und Rüstungsexporte sowieso inakzeptabel.

Wenn es aber um die Türkei geht, deren Menschenrechtsverletzungen seit Jahren heftigst attackiert werden, gibt es keine Toleranzzone. Das schluckt die Basis nicht.

Es heißt, Fischer habe im Vorfeld mit sehr großem Nachdruck alles unternommen, um eine Entscheidung im Sicherheitsrat aufzuschieben, um Fraktionen und Koalitionsrunde an der Frage zu beteiligen. Doch der Kanzler habe sich darüber einfach hinweggesetzt und für das gestimmt, was er für einen Kompromiss hält: erst den Probepanzer an den Nato-Partner und vielleicht später die Lieferung der 1.000 Leopard II.

Schröder hat damit in einer Art und Weise seinen Außenminister beschädigt, wie es vor ihm weder Helmut Kohl noch Helmut Schmidt getan haben. Denn Hans-Dietrich Genscher wurde in den 18 Jahren seiner Amtszeit weder von Schmidt noch von Kohl überstimmt. So wurden zweimal der Export des Leopard-Panzers nach Saudi-Arabien und eine Schützenpanzerlieferung in die Türkei verhindert.

Fischer aber hat die Testlieferung des Leopard II nicht stoppen können. Innenpolitisch war es für die Grünen deswegen umso wichtiger bei der Krisensitzung auf eine Verschärfung der „Politischen Grundsätze für den Export von Waffen und Rüstungsgütern“ zu bestehen. Diese sollen dann auch schon für weitere Panzerlieferungen in die Türkei gelten.

Um den Schaden innerhalb der Koalition so gering wie möglich zu halten, hatte SPD-Fraktionschef Peter Struck schon im Vorfeld der Gespräche signalisiert, dass die Richtlinien für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern nicht wie ursprünglich geplant heute vom Kabinett beschlossen werden. Sie sollen jetzt in der Zusammenarbeit mit Fachleuten aus den Fraktionen überarbeitet werden.

Trotz des frühen Zugeständnisses an die Grünen wurde in der Koalitionsrunde noch heftig und lange um Formulierungen gerungen. Von Seiten der SPD wollte man verhindern, dass der kleinere Koalitionspartner darauf besteht, weiter den „Dissenz“ bezüglich des Testpanzers deutlich zu machen.

Aber da ließen die Grünen nicht mit sich verhandeln. Vor der Presse machte die grüne Fraktionssprecherin Kerstin Müller unmissverständlich klar, dass ihre Partei nach wie vor gegen den Testpanzer ist: „Ich halte die Entscheidung auch weiterhin für falsch“, betonte Müller, während Struck noch nicht einmal mehr von einer „handfesten Koalitionskrise“ reden wollte.

Müller räumte allerdings auch ein, dass die Lieferung des Testpanzers nicht mehr rückgängig zu machen sei. Man müsse nun alles daran setzen, so schnell wie möglich einen klaren Weg zu finden, wie künftig bei Waffenexporten verfahren werden sollte. Ohne „tatsächliche und überprüfbare Fortschritte“ in der Menschenrechtslage könne es auch 2001 keine Panzerlieferung in die Türkei geben, sagte Müller.

Die Grünen sind am Montagabend mit einem Achtungserfolg aus der Koalitionsrunde gegangen, die Niederlage vom vergangenen Mittwoch bleibt aber bestehen.

Schon bei der Neuformulierung der Rüstungsexportrichtlinien werden die rot-grünen Differenzen wieder aufbrechen. Bei einer von der Türkei gewünschten Panzerlieferung 2001 kann es – ein Jahr vor der Bundestagswahl – zur Nagelprobe kommen.

Das weiß auch Joschka Fischer. Gestern abend traf er seinen türkischen Amtskollegen Cem beim Fußballspiel Hertha gegen Galatasaray. Er wird die Gelegenheit genutzt haben, um Cem die deutsche Position zu erläutern. Nur welche? Seine oder die des Kanzlers?

Karin Nink, Berlin

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