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Die Klimakonferenz und die AmpelJenseits der Komfortzone

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Will die neue Regierung das Klima ernst nehmen, muss sie unpopuläre Entscheidungen treffen. Ein grün gefärbtes Weiter-so reicht da nicht.

Last Call: Deligierter der Klimakonferenz in Glasgow schaut auf einen Bildschirm mit Klimadaten Foto: Yves Herman/reuters

D ie neuen Zahlen zu den Klimaversprechen der Länder, die auf dem UN-Gipfel präsentiert wurden, lassen zwei Schlüsse zu: Für eine Chance, die weltweite Erderhitzung bei 1,5 Grad zu regulieren, muss drastischer Klimaschutz sofort beginnen. Und: Ehrgeizige Ziele in 30 Jahren nutzen uns nichts, wenn wir nicht jetzt den Weg dahin festlegen.

Das aber wird nur funktionieren, wenn wir die Komfortzone verlassen. Wir haben 30 Jahre versäumt. Jetzt steht ein Crashkurs an. Und das werden wir merken – nicht, indem wir alle verarmen oder verzweifeln, aber indem wir unsere Gewohnheiten im Verkehr, in der Industrie, der Landwirtschaft und so weiter grundsätzlich ändern. Wir kennen die Pfade, aber sind zu bequem, sie auch einzuschlagen.

Was uns direkt zu den aktuellen Koalitionsverhandlungen führt. Da wehren sich vor allem FDP und Teile der SPD dagegen, eben das zu tun: die Komfortzone zu verlassen. Denn das hieße, harte Entscheidungen zu treffen und unpopuläre Debatten auszuhalten. Aus Glasgower Sicht gilt es, das zu tun, was die Zahlen und unsere 30 Jahre Trödelei verlangen.

Mit ein bisschen grün angestrichenem Weiter-so ist das nicht getan, das kann man auf dem UN-Gipfel sehen. Wenn sich die Beharrungskräfte in einer Ampelregierung durchsetzen und nur der kleinste gemeinsame Nenner möglich ist, wird Deutschland den Weg in den klimaneutralen Wohlstand nicht finden. Was nötig ist, kann man Mut nennen oder Einsicht in die Notwendigkeit oder eine Vision oder einen großen Wurf. Man kann auch daran erinnern, wie sich Olaf Scholz im Wahlkampf als Klimakanzler geriert hat.

Das ist alles zweitrangig. Wichtig und richtig bleibt: Eine klimagerechte Zukunft kommt nicht von allein. Wer sie jetzt nicht festschreibt, weil er im Schlafwagen zum Klimaschutz will, der rollt aufs Abstellgleis. Und wer zu bequem ist, um seine Komfortzone beim CO2-Preis, Erneuerbaren-Ausbau, bei modernen Gebäuden, zukunftsfähiger Industrie und all dem zu verlassen, der führt uns alle dahin, wo niemand sein will: jenseits der Komfortzone von 1,5 Grad Celsius.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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11 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    1. Maßnahme, Handy-Kosten verdreifachen.



    2. Parlament auf 500 Personen begrenzen - spart Geld



    3. ÖPNV in den Großstädten kostenlos



    4. Keine Zuschüsse an die Auto-Betrügerfirmen



    5. Alle zahlen in die Rentenkasse ein.



    6. Pflegepersonal anständig bezahlen



    7. Frühwarnsysteme inkl. Sirenen installieren



    8. Auflösung von Mammut-Konferenzen mit mehr als 5.000 Teilnehmern. Die bringen eh nichts.



    9. Vermögenssteuer einführen - wenigstens den Satz, den es bei H. Kohl gab.



    10. Plastik weitgehend verbieten



    Mir würden noch 20 weitere Punkte einfallen.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Zwei Punkte (3+4) für den Klimaschutz, einer massiv dagegen (9): Klimaschutz benötigt fast überall riesige Investitionen. Also braucht es auch Vermögen, um das zu finanzieren.

      Plastik (10) ist Bestandteil vieler Objekte, die die Klimashädigung vermeiden, z.B. in den Rotoren der Windräder und als Rückseitenfolie von Solarmodulen.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Zu Punkt 1 würde ich widersprechen, nicht die kosten verdreifachen , sondern Reparaturen fördern, Langlebigkeit der Produkte festschreiben und die Hersteller anmahnen vielleicht nicht jedes halbe Jahr ein neues Modell auf den Markt zu schmeissen .....die Kosten steigen dann automatisch, denn ein hochwertiges langlebiges Produkt kostet mehr als ein billiges Wegwerfprodukt (gilt im übrigen nicht nur für Handys sondern für alle Elektronikgeräte)

  • Einsparungen sind nur mit gesellschaftlichen Veränderungen möglich. Daß dies mit Ökologie Hand in Hand gehen könnte, zeigt z.B. ein Blick auf die gesellschaftlich sinnlos vergeudete Energie und Arbeit, die darauf verwendet wird, Wettbewerbsvorteile in einem Industriezweig zu generieren. So beginnt das E-Zeitalter der Autos gleich mit einem ausgewachsenen Gezerre um die E-Zapfsäulen, statt mit einer strukturell und normativ gut vorbereiteten Infrastruktur.



    Die Konferenzteilnehmer haben die gleichen Fragen und ebenso viele fehlenden Antworten. Bei Entwicklungsanstößen ist die Wirtschaft dabei, bei Enthaltsamkeitsdebatten kann sie nur passen! Ich würde diese Debatte gern um diese Komponente der Lösungssuche erweitern und danke für die Geduld bei der Lektüre meines Kommentars.

  • Lebensstandards diese Exporte für deren Importe vielleicht erforderlich sind. Es dient uns auch nicht, wenn die Arbeitslosen der Tourismusindustrie als Flüchtlinge an unsere Pforten klopfen, weil wir ihre Länder aufgrund der Ächtung des Flugzeuges nicht mehr anfliegen.



    Wo könnte denn nun eine Lösung zu finden sein. Das vorgesagte läßt ja den Schluß aufkommen, es gäbe keine. Meine Lanze für den Flugverkehr bis in den Individualbereich folgt eben als ein Beispiel dieser Erkenntnis, daß bei allein gleichbleibendem Energieaufkommen (ich kann nachweisen, daß es im Kurzstreckenindividualverkehr erheblich zu senken ginge) ein Beitrag bei der Renaturierung von Flurstücken geleistet werden könnte. Die aktuell gebundenen Verkehrs-Trassen (Straße, Schiene, Parkflächen…) werden nicht mehr oder nur noch zu einem Bruchteil für den Güterverkehr benötigt. Hier bietet sich ein enormes Potential für den Zugewinn von Grünflächen jedweder Art und für Energieeinsparung. Die Verbesserung von ÖPNV und Schiene bieten kein solch großes Reservepotential mehr. Auch der Blick in die Zukunft sei gestattet. Kleinstflugzeuge wiegen etwa ¼-tel ihres KFZ-Verwandten und sie könnten sich mit der jetzigen KI (Künstlichen Intelligenz) auch schon autonom bewegen lassen, also nach Ankunft am Zielort, zu zentralen Parkflächen oder nach Hause fliegen und noch zeitversetzt die Frau zur Arbeitsstelle und Kinder in die Schule bringen. Einkaufszentren böten ihre Dächer als Parkfläche an oder man schickt das Flugzeug in eine Parkschleife ohne Kollisionsgefahr, da die Schwarmintelligenz von der KI nachgebildet wird. Was würde allein an totem Parkraum in einer Stadt frei! Verkehrsmittel-Sharing wäre einfacher, da man Abrufszenarien autonom gestalten könnte.



    Verbesserungen lassen sich außerdem nur über wirtschaftliche Stimuli erzeugen. Hier wurden ein paar Entwicklungsthemen genannt. Diese kann die Industrie in neue Wirtschaftszweige verwandeln. Noch weitergehende – gesellschaftlich signifikante –

  • … Genau bei der Kenntnis der Pfade habe ich meine Zweifel. Und da diese von genau der Komfortzone auch noch beeinflußt werden, sind manche Wege auch nicht gangbar. Ihr Optimismus zur grundsätzlichen Änderungsbereitschaft hat außer der ökologischen Notlage keinen wirklichen gesellschaftlichen Unterbau und das zeigt sich eben auch in Koalitionsverhandlungen. Es ist illusorisch (nur um beim Verkehr zu bleiben) über Enthaltsamkeit oder alternative Lösungen, wie dem Lastenfahrrad, Verkehr reduzieren oder ökologisch umverlegen zu wollen. Das mag alles zu einem bestimmten Grad gehen, doch das Transportaufkommen, individuell, wie wirtschaftlich, ist eine reichlich feststehende Größe, die man nicht wesentlich unterschreiten kann, weil sie die Gesellschaft/Wirtschaft benötigt, um zu existieren. Reduziere ich Verkehrsspuren auf städtischen Straßen für alternative Verkehrsmittel, vergrößere ich Verkehrszeiten oder produziere Staus. Schlimmer noch, ich muß mit sekundärinduziertem Verkehr rechnen, da Menschen, die vormals mit dem Auto zur Arbeit fuhren, nach dem Wechsel zum ÖPNV abends noch einmal extra das Auto hervorholen, um den Einkauf, der früher auf dem Arbeitsweg erledigt wurde, zu tätigen. Das Transportvolumen in einer bestimmten Zeit ist das Maß der Dinge und da dies nicht mit Lastenfahrrädern zu bewältigen ist, bleibt deren Einsatz eben eine nett gemeinte Randerscheinung. Umverlegungen führen zu keinem signifikanten Lösungsansatz. Die jetzigen Verkehrsverteilungsverhältnisse sind eben „Gleichgewichtsverteilungen“, die sich aus der Optimierung von Wirtschaftskraft, angebotener Technologie und der Verteilung des Arbeits-, Waren- und Dienstleistungsgeschehens ergeben. Verschiebungen sind nur unter der Prämisse der Beibehaltung des Transportvolumens oder Ersatzes von Komponenten davon möglich. Da ist das Home-Office ein denkbarer Ansatz, die Einsparung von Apfelimporten aus Australien schon wieder eher nicht, da für Australien zur Aufrechterhaltung des dortigen

    • @Sokrates_RS:

      Mein Problem mit Böttchers Beitrag besteht darin, daß er letztlich auf eine Politikerkompetenz und -interessenlage baut, die diese naturgemäß nicht haben können. Aktuell laufen alle Maßnahmen in der Klimapolitik auf Enthaltsamkeits-, Maßregel-, und Durchhalteszenarien mit Vermittlungsnot hinaus. Die Wirtschaft liefert Öko-Beiträge aktuell nur, wenn sie damit etwas verdienen kann. Aufwand kostet nun einmal Geld und unser Wirtschaftssystem spendiert dieses am liebsten in Form einer Investition. Ich würde mich freuen, wenn diese Orientierung mehr Gewicht in den Debatten bekäme.

    • @Sokrates_RS:

      Ihre Kommentare sind zu lang

      • @syle x:

        sehe ich ein, kommt nicht wieder vor, zumal die Reihenfolge nicht stimmt. Trotzdem Dank an die Moderatoren, daß sie diesen Kommentar durchgelassen haben.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Eien unpopulräre Entscheidung wäre es, die anderen Staaten in der EU bei der Entwicklung von SMB Atomenergie nicht im Weg zu stehen. Deutschland muss das nicht selber machen, darf aber ggf. eine weitere Alternative zu großflächigen WKA-Industriezonen nicht blockieren.

    • @02854 (Profil gelöscht):

      Ihre Kürzel kennt kein Mensch. Und nein, der Atomkraft steht vor allem ihr finanzieller Preis und damit die Wirtschaftlichkeit im Weg.