Die Journalistin Tissy Bruns ist tot: Streitlustig und humorvoll
Sie war politisch, originell und sagte stets das Unerwartete: Die langjährige Parlamentskorrespondentin und ehemalige taz-Redakteurin Tissy Bruns ist tot.
Sie war immer eine der Ersten. Tissy Bruns war eine der ersten Journalistinnen, die sich im Männerbetrieb der Parlamentsberichterstatter durchsetzten. Eine der ersten Frauen, die in politischen Talkshows auftraten und immer wieder eingeladen wurden – nicht wegen einer Quote, sondern weil sie kundig, streitlustig, manchmal bissig, aber humorvoll, versöhnungsbereit und originell war. Von ihr war zu erwarten, dass sie Unerwartetes sagte.
Tissy Bruns war auch die Erste, die mit dem Bundespräsidenten tanzte. Natürlich nicht als erste Frau überhaupt, aber als erste Vorsitzende der Bundespressekonferenz. Sie führte die Vereinigung der Hauptstadtjournalisten von 1999 bis 2004 – und in dieser Funktion eben auch Johannes Rau übers Parkett beim Bundespresseball.
Das hätte sie sich wohl selbst kaum vorstellen können, als sie in den 70ern beim Marxistischen Studentenbund Spartakus, in den 80ern bei der DKP und in den 90er bei der taz aktiv war, bevor sie 1997 zum Tagesspiegel ging. Manche, die ganz links gewesen sind, sind immer dort geblieben. Manche gingen ganz nach rechts und manche irgendwo in die Mitte, wo sie sich bis heute an „den 68ern“, also sich selbst, abarbeiten. Tissy Bruns, die sich auch längst gemäßigt hatte, schien sich damit nicht aufzuhalten.
Wie sie später über ihre jungen Jahre dachte, kann der Autor dieser Zeilen, der sie nur als Parlamentskorrespondent kannte, nicht beurteilen. Aber in ihrer Arbeit war sie immer im Hier und Jetzt – mit Leib und Seele. Den Politikbetrieb beschrieb sie 2007 als „Republik der Wichtigtuer“ – und gehörte doch selbst dazu. Wahrscheinlich genoss auch sie manchmal den Glanz.
So richtig zu lieben schien sie die Politik, wenn etwas Unerwartetes passierte. So war sie eine der wenigen, die Gerhard Schröders bizarrem Auftritt am Wahlabend 2005 etwas Positives abgewinnen konnten. „Für die öffentlichen Angelegenheiten, für die res publica war sein Auftritt grandios. Denn in diesem Kanzler zeigte sich – endlich einmal wieder! – die Politik als ein Stoff, der aus Leidenschaften gewebt wird.“ Es war schön, überrascht zu werden. Es ist traurig, dass Tissy Bruns, die am Mittwoch mit 62 Jahren gestorben ist, nicht mehr da ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos