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Die Japaner schwimmen

Weil Fläche an Land fehlt, setzten die Japaner auf schwimmende Windkraftanlagen mit zwei Flügeln aus Norddeutschland. Einen Großteil seiner Energie muss Japan importieren

Zwei Flügel haben den großen Vorteil, dass viel Material und dadurch Gewicht gespart wird Foto: Jan Oelker/Aerodyn

Von Dierk Jensen

Aller guten Dinge sind in der Regel drei. Dies ist beim Windenergieanlagen-Entwickler Aerodyn Engineering GmbH aus Büdelsdorf in Schleswig-Holstein allerdings nicht der Fall: Denn die Ingenieure um Firmenchef Sönke Siegfriedsen setzen bei ihren Anlagenkonzepten auf zwei statt wie gewöhnlich drei Flügel. Das hat zwar aerodynamische und statische Nachteile, aber den großen Vorteil, dass bei einer solchen Konstruktion viel Material und dadurch am Ende Gewicht gespart wird. Zudem ist eine solche Windenergieanlage wesentlich einfacher aufzurichten. Alle Aspekte zusammen drücken die Kosten. So drehen sich in China schon einige zweiflügelige Turbinen – sowohl an Land als auch auf dem Meer.

Während hierzulande die Zweiflügler kaum eine Rolle spielen, knüpfen die Japaner an die kühne, offshore-taugliche Technologie von Aerodyn große Erwartungen. Nicht zuletzt deshalb, weil es in Japan an Land an geeigneten Räumen für Windparks mangelt. Große Teile sind bergig und in den wenigen Ebenen genießt die Landwirtschaft Vorrang. Hinzu kommt die dichte Besiedlung. Da aber das Meer an fast allen Küsten Japans schroff in der Tiefe liegt, kommen für Offshore-Windenergieanlagen größtenteils nur schwimmende Fundamente in Frage.

Die japanische Agentur New Energy and Industrial Technology Development (NEDO) beauftragte die Aerodyn Engineering, einen Zweiflügler mit drei Megawatt Leistung zu konstruieren und zu bauen, der im Frühjahr 2018 in japanischen Gewässern auf einem von der französischen Firma Ideol konzipierten schwimmenden Fundament errichtet werden soll. Inzwischen hat aerodyn das Maschinenhaus in Rendsburg auf der Nobiskrug-Werft gebaut und anschließend bei Volllast als auch unter Netzausfallbedingungen auf Herz und Nieren geprüft. Danach wurde es über Holland zur japanischen Stadt Kitakyūshū auf der südlichen Hauptinsel Kyushu verfrachtet. Dort wartet die sogenannte Smart Compact Drive (SCD)-Anlage nun auf den Stahlturm aus Schanghai und die Montage des schwimmenden Fundaments, bis das Ganze zusammen im Mai 2018 rund 15 Kilometer vor der Hafenstadt Kitakyūshū in einer Wassertiefe von über 50 Meter errichtet werden soll.

Alle Beteiligten, aber auch die gesamte japanische Energiewirtschaft, blicken gebannt auf dieses Projekt. Denn die bisherigen Versuche mit schwimmenden Offshore-Anlagen, wie die vor den Gestaden Fukushimas, waren geprägt von hohen Kosten und technischen Schwierigkeiten, die eine Serienproduktion verhinderten. „Für uns ist das Nedo-Projekt wichtig, weil wir damit praktisch zeigen können, dass unser Anlagenkonzept schwimmend zu akzeptablen Herstellungskosten funktioniert“, erklärt Siegfriedsen. Er hält eine Senkung der bisher noch hohen Kosten von Offshore-Windenergieanlagen auf rund 1,1 Million Euro pro installiertem Megawatt für realistisch.

Das weckt in Japan große Begehrlichkeiten. „Wir wollen schon in fünf Jahren so weit sein, dass wir 50 schwimmende Zweiflügler pro Jahr aufstellen“, verrät Seiichiro Okuhara, Vorstandschef des japanischen Unternehmens Glocal, seine Zukunftspläne. Die in Hiroshima beheimatete Glocal ist erst seit Kurzem in der Windenergie engagiert und hat von der aerodyn engineering GmbH die Rechte für den Bau von SCD-Maschinen mit 3, 6 und 8 MW Leistung erworben.

Beteiligte wie Energiewirtschaft blicken gebannt auf das Projekt

Zu diesem Paket gehört auch die Lizenz zum Bau der futuristisch anmutenden Offshore-Plattform Nezzy, auf der zwei Anlagen à 7,5 MW Leistung schräg zueinander auf einem Turmfuß vereint sind, der wiederum auf einer schwimmenden Struktur steht. Ein kleines Modell dieser „revolutionären Konstruktion“, wie die Fachzeitschrift Windpower Monthly es formulierte, sorgte auf der Londoner Offshore-Messe in diesem Sommer für reichlich Staunen. Ein Nezzy-Modell im Maßstab 1:10 soll bald fertiggestellt sein und schon im kommenden Januar auf dem Meer vor Hiroshima der rauen Wirklichkeit ausgesetzt werden.

„Wir müssen das Meer erobern, ansonsten kommt der Ausbau der erneuerbaren Energien in unserem Land nicht entscheidend weiter“, fordert Oku­ha­ra. Zumal die energiepolitische Situation in Japan derzeit ziemlich ernüchternd ist. Mehr als 84 Prozent der benötigten Energie müssen die Insulaner immer noch importieren und der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch liegt weiterhin erst im einstelligen Bereich, im Stromsektor bei 15 Prozent.

Dabei fährt der kürzlich wiedergewählte Ministerpräsident Shinzō Abe in der Atompolitik einen Zickzackkurs, bei dem bereits stillgelegte Reaktoren, nun angeblich erdbebensicher ertüchtigt, wieder ans Netz gehen sollen. Trotzdem will man den Anteil der erneuerbaren Energien stetig erhöhen, im Stromsektor bis 2025 auf 25 Prozent. Daher zeigt sich Offshore-Pio­nier Okuhara optimistisch: Schon 2025 wird man dem japanischen Verbraucher die Kilowattstunde Offshore-Windstrom für 12 Cent anbieten können.

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