Die Helfer der NSU: Nazi-Terror vor Gericht
Die Bundesanwaltschaft klagt die einzige Überlebende des NSU wegen Mordes an. Doch auch die vier Helfer müssen sich verantworten.
Vier Unterstützer der NSU werden sich vor dem Oberlandesgericht München verantworten müssen. Am Donnerstag gab die Bundesanwaltschaft die Anklageerhebung wegen verschiedener Straftaten bekannt.
Ralf Wohlleben: Beihilfe zum Mord
Blitzkrieg, Blutbanner und Tätervolk: So heißen die Bands, die gerade eine Soli-CD für den seit Ende November inhaftierten ehemaligen NPD-Funktionär Ralf Wohlleben aufgenommen haben. Doch während die braunen Sympathisanten Geld für ihn sammeln, haben mehrere alte Kumpels aus der Jenaer Kameradschaftsszene den heute 37-Jährigen schwer belastet.
In den Vernehmungen beschrieben sie ihn als Strippenzieher im Hintergrund, der zumindest in den ersten Jahren den Kontakt zum abgetauchten Neonazitrio koordiniert und ihnen Kuriere in den Untergrund geschickt haben soll, erst mit Geld – dann mit Waffen.
Wohlleben soll dem NSU-Trio mit Hilfe von Carsten S. jene Česka-Pistole beschafft haben, mit der die Neonazis von 2000 bis 2006 acht türkischstämmige Männer und einen Griechen erschossen. Die Bundesanwaltschaft wertet das als Beihilfe zum Mord in neun Fällen. Er habe den Einsatz der Waffe für rassistische Morde billigend in Kauf genommen.
Carsten S.: Beihilfe zum Mord
Der später als Sozialarbeiter in der Aids-Hilfe arbeitende und offen schwul lebende Exneonazi Carsten S. gab in Vernehmungen zu, Ende 1999 oder Anfang 2000 mit dem Zug nach Chemnitz gefahren zu sein und dort den NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in einem Abbruchhaus ihre Mordwaffe übergeben zu haben.
Carsten S. war damals in der NPD und deren Jugendorganisation JN aktiv. Den Auftrag für die Waffenlieferung habe er von Ralf Wohlleben bekommen, sagte der heute 32-Jährige in seiner Vernehmung. Der habe vor seinen Augen den Schalldämpfer auf die Ceska 83 geschraubt. Die 2.500 D-Mark für die Waffe sei ebenfalls von Wohlleben gekommen, so S.
Auch Carsten S. ist nun von der Bundesanwaltschaft wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen angeklagt worden. Als er dem NSU seine Mordwaffe lieferte, war er 19 Jahre alt, weshalb er nur mit einer Jugendstrafe zu rechnen hat. Seit Mai sitzt er nicht mehr in Untersuchungshaft.
Holger G.: Terror-Unterstützung
Holger G. war wie Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in den 90er Jahren Mitglied der „Kameradschaft Jena“, die wiederum Teil des Neonazinetzes „Thüringer Heimatschutz“ war. In seinen Vernehmungen gab der später nach Niedersachsen umgezogene Holger G. zu, zwischen 2001 und 2011 dem untergetauchten Trio unter anderem seinen Führerschein, eine AOK-Versichertenkarte und seinen Pass zur Verfügung gestellt zu haben.
Die Bundesanwaltschaft wirft dem heute 38-jährigen Holger G. daher die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor. Er habe den NSU-Mitgliedern geholfen, „ihre wahre Identität zu verschleiern“.
Holger G. ist gleichzeitig auch ein wichtiger Zeuge der Anklage. Denn in seinen Vernehmungen schilderte er auch, wie er 2001 den in Zwickau abgetauchten Neonazis in einem Stoffbeutel eine Waffe brachte. Einer der beiden Uwes habe sie durchgeladen – vor Beate Zschäpes Augen. Sie soll den Waffenkurier auch am Bahnhof abgeholt haben.
André E.: Beihilfe zum Anschlag
Der sächsische Rechtsextremist mit der "Die Jew die"-Tätowierung auf dem Bauch („Stirb, Jude, stirb“) soll nach Zeugenaussagen vom ersten Jahr des Abtauchens des NSU-Trios an mit den Neonazis in Kontakt gestanden haben. Auch ihm wirft die Bundesanwaltschaft vor, deren wahre Identität verschleiert und so eine Terror-Vereinigung unterstützt zu haben.
So habe er 2006 Zschäpe als seine Ehefrau ausgegeben. Im Wohnmobil, in dem sich Böhnhardt und Mundlos erschossen haben, fanden die Ermittler zudem eine Bahncard mit Uwe Böhnhardts Foto – aber André E.s Namen.
Er soll auch das Wohnmobil angemietet haben, das beim ersten Sprengstoffanschlag des NSU in der Kölner Altstadt 2001 verwendet wurde. Dabei wurde eine 19-jährige Deutschiranerin schwer verletzt. Auch für zwei Überfälle soll André E. die Tatfahrzeuge angemietet haben. Die Bundesanwaltschaft klagt den 33-Jährigen deshalb auch wegen Beihilfe zu dem Anschlag und zum Raub an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos