: Die Hauptstadt der Architekten
Beim Weltkongress der Architektur suchen Ende Juli 10.000 Planer in Berlin nach neuen Möglichkeiten, Bauen und Umwelt miteinander zu versöhnen. Und die deutsche Architektur sucht nach Anerkennung im Ausland
Slums gibt es nicht in Berlin, allenfalls ein paar unsanierte Straßenzüge, innerstädtische „Problemquartiere“ oder leer stehende Plattenbauten. Im Vergleich zu den gläsernen und steinernen Kathedralen des Kapitals, wie György Konrád das Debis-Gebäude am Potsdamer Platz bei seiner Eröffnung bezeichnete, zeigt sich dennoch ein neuer Kontrast. Auch die Berliner leben mittlerweile in zwei Welten, und manchmal haben beide nur noch wenig Kontakt miteinander.
Neue Friedensordnung
„Ressource Architektur“ heißt das Motto, unter dem sich vom 22. bis 26. Juli bis zu 10.000 Architekten dieses Themas annehmen wollen. Schließlich steht auf dem nach Peking und Barcelona nun erstmals in Berlin stattfindenden Weltkongress der Architektur (UIA) nichts Geringeres auf der Tagesordnung als eine „neue Friedensordnung“, wie es der Präsident des UIA, Andreas Hempel, am Donnerstag formulierte. „Es geht um den Frieden mit der Natur und ihren Ressourcen, aber auch darum, wie Architektur die sozialen Verhältnisse verbessern kann.“ Mit diesem Anspruch verlässt die alle drei Jahre stattfindende „Architektur-Olympiade“ das vertraute Terrain von Baukunst und Städtebau, um sich über zehn Jahre nach der Konferenz von Rio in die Debatte um nachhaltige Entwicklung einzuschalten.
Das dies nicht nur für die Megacitys in Afrika, Südostasien oder Lateinamerika von eminentem Interesse ist, hat schon vor zwei Jahren die ebenfalls in Berlin stattgefundene UN-Konferenz zur Zukunft der Städte „Urban 21“ gezeigt. Doch auch hierzulande hat das Thema, Agenda-Prozesse hin oder her, immer noch zu wenig Einzug in die Debatten um Stadtentwicklung gefunden. „Ein Denkanstoß ist deshalb die Forderung, nur noch auf den Flächen zu bauen, auf denen bereits ein Gebäude stand“, meint Andreas Hempel.
Ein Architekten-Weltkongress in Berlin, das ist natürlich auch eine Gelegenheit zu einer Leistungsschau der Architektur in Deutschland und in seiner Hauptstadt. Schon am nächsten Mittwoch beginnt deshalb im Gropius-Bau die Ausstellung „Neue Deutsche Architektur“. Präsentiert werden 25 Gebäude, allesamt aus den letzten sechs Jahren, sowie zehn Architekten, die der deutschen Diskussion der letzten Jahre den Stempel aufgedrückt haben. „Damit soll“, räumt der Kurator der Ausstellung, Ullrich Schwarz, unumwunden ein, „die deutsche Architektur im Ausland bekannter gemacht werden.“
Kulturexport
Während in anderen Ländern, wie etwa in den Niederlanden, in Frankreich, Italien, aber auch in Skandinavien, nationale Architekturinstitutionen eine regelrechte Architekturpolitik betrieben, lasse solches in Deutschland sehr zu wünschen übrig. Schwarz freute sich daher, dass neben Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin mit dem Stuttgarter Institut für Auslandsbeziehungen auch eine Institution des Auswärtigen Amtes mit von der Partie ist, die sich den Kulturexport „made in Germany“ zur Aufgabe gemacht hat.
Architekten wollen aber nicht nur konferieren, sondern auch durch die Stadt bummeln. Das Angebot, dass sich ihnen dabei bietet, ist inzwischen fast größer als die Foren und Werkstätten auf dem Kongress selbst. So öffnen sich am 24. Juli über 80 Galerien mit Ausstellungen und Veranstaltungen zur Diskussion über die Schnittstellen von Architektur und Kunst. Darüber hinaus präsentiert sich Berlin während des UIA mit einer wahren Fülle von Architekturausstellungen. Die reichen von zum Kongress selbst gehörenden Ausstellungen über die weltweit neuesten Bauten im ICC und dem Messegelände über eine Ausstellung deutscher Botschaftsbauten bis zur historischen Entwurfsausstellung „Die Hand des Architekten“ im Alten Museum.
Natürlich dürfen auf einem internationalen Architektenkongress auch die Stars wie Daniel Libeskind, Zaha Hadid oder Peter Eisenman nicht fehlen. „Mit dabei sind aber auch viele junge Architekten“, freut sich Andreas Hempel. Von den bislang 3.500 Anmeldungen, so Hempel weiter, kämen mehr als sechzig Prozent aus dem Ausland, darunter viele aus Osteuropa und Asien. „Für die ist Berlin mittlerweile ein wichtiger Ort geworden.“ Das betreffe vor allem das Thema Großsiedlungen, das in Sibirien oder Kasachstan ebenso große Bedeutung habe wie in Berlin.UWE RADA
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