Die Erfindung des Computers: Schlauer Rechner aus Kreuzberg
Der Berliner Konrad Zuse konstruierte vor 80 Jahren ein „mechanisches Gehirn“ – und legte damit die Grundlagen für das Digitalzeitalter.
Im Wohnzimmer seiner Eltern entwickelte er eine Rechenmaschine, die die langwierigen Berechnungen der Statiker automatisch erledigen sollte. Es war der Vorläufer des ersten funktionsfähigen Digitalrechners weltweit. Dieser erste funktionsfähige Rechner, die Z3, wurde vor genau 80 Jahren – am 12. Mai 1941 – erstmals in Betrieb genommen. Doch der Reihe nach.
Zuse wollte nicht weniger als ein „mechanisches Gehirn“ entwerfen. Konzeptionell betrat der 25-Jährige dabei Neuland. Die Maschine sollte das Binärsystem verwenden, also mit „Null“ und „Eins“ beziehungsweise den Zuständen „wahr“ und „falsch“ rechnen. Für die Realisierung der Ablaufsteuerung wollte Zuse dann die Aussagen der binären Logik verwenden. Dieses Verfahren bildete später die Grundlage des Digitalzeitalters.
Um die Statikberechnungen anzugehen, hatte sich Zuse vorgenommen, mit einem kompakten Speicher für 16 Zahlen zu arbeiten. Bei den ersten Konstruktionen griff er dabei auf eine Erfahrung aus seiner Jugend zurück. Mit dem Metallbaukasten der Firma Stabil hatte er nach seinem Abitur einen komplexen Kohlenverladekran zusammengebaut, wofür er die Ehrenurkunde der Firma erhielt.
Ziemlich verklemmt
Der erste Entwurf für Zuses Rechner, die Z1 aus dem Jahr 1938, bestand aus übereinander liegenden Blechstreifen. „Die Z1 war jedoch die meiste Zeit verklemmt“, schreibt der Berliner Informatiker und Historiker Ralf Bülow in einem Blog-Eintrag des weltgrößten Computermuseums, dem Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn, zum Z3-Jubiläum.
In einem zweiten Anlauf nahm Zuse von einer rein mechanischen Lösung Abstand. Rund zweihundert elektromagnetische Relais sollten nun die Rechenarbeit übernehmen. Die Z2 funktionierte etwas besser als die Z1, war aber für einen kommerziellen Einsatz noch nicht zuverlässig genug. Sie weckte aber immerhin das Interesse von Alfred Teichmann, der Abteilungsleiter im Institut für Festigkeit der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) war.
Teichmann beschäftigte sich im Institut am Flugplatz Johannisthal im Berliner Stadtteil Adlershof vor allem mit dem Phänomen des Flatterns. „So nannten die Luftfahrtexperten seit den 1920er-Jahren die rhythmischen Verdrehungen von Flügeln und Leitwerk, die bei bestimmten Geschwindigkeiten auftreten konnten. Im schlimmsten Fall stürzte das Flugzeug ab“, schreibt Bülow.
Die Ingenieure des DVL versuchten das Flattern durch konstruktive Änderungen in den Griff zu bekommen. Dazu wurden beispielsweise eingebaute Gewichte in den Tragflächen verschoben, um den Schwerpunkt zu verändern. „Dazu musste aber sehr viel gerechnet werden.“ Als nun Teichmann die Z2 sah, habe er die Möglichkeiten für die Flatterforschung erkannt. Zuse wurde mit dem Bau eines größeren Rechners beauftragt.
Zuse benötigte dann noch einmal ein Jahr, um die Z3 zu entwickeln. Und ihm gelang der große Wurf, obwohl er weitgehend von der deutschen Kriegswirtschaft ignoriert wurde. Die Z3 ist in die Computergeschichte als erster frei programmierbarer und programmgesteuerter Rechenautomat eingegangen.
Der erste Testlauf fand vor achtzig Jahren statt, am 12. Mai 1941 in der Methfesselstraße 7 in Berlin-Kreuzberg. Dort hatte Zuse die Werkstatt seines Ingenieurbüros eingerichtet. „Im Rechen- und Speicherwerk der Z3 steckten 2.000 Relais; für die Ein- und Ausgabe der Zahlen gab es ein kleines Schaltpult, die Programmierung erfolgte mit gelochten Filmstreifen“, schreibt Bülow. „Wenn man die Verwendung elektromagnetischer Technik zulässt, dann war die Z3 der erste funktionsfähige Computer.“
Richtig zum Einsatz kam die Z3 aber nie. Sie wurde zwar mehrfach vorgeführt, dann aber 1943 bei einem Bombenangriff zerstört. Der erste auf Röhrentechnik basierte Computer, der von John Mauchly und John Presper Eckert in den USA entwickelte ENIAC, wurde aber erst 1946 fertiggestellt. Der „Electrical Numerical Integrator And Calculator“ (ENIAC) sollte – wie der Name bereits nahelegt – die „numerische Integration“ beschleunigen, also die Berechnung einer Fläche unter einer Kurve im Koordinatensystem. Dabei ging es nicht um eine abstrakte mathematische Fingerübung. Vielmehr sollte den Soldaten der US-Armee im Zweiten Weltkrieg ganz konkret dabei geholfen werden, schnell die Flugbahnen der Artilleriegeschosse zu berechnen.
Die US-Armee konnte im Zweiten Weltkrieg allerdings nicht mehr vom ENIAC profitieren, denn die Maschine wurde erst nach Kriegsende fertiggestellt. Mit dem aufziehenden Kalten Krieg änderte sich dann der Verwendungszweck des Rechenmonstrums: Der ENIAC wurde von US-Wissenschaftlern in Los Alamos verwendet, um die Zerstörungskraft der ersten Wasserstoffbombe zu berechnen.
Nachbau im Technikmuseum
Ein 1:1-Modell des ENIAC ist unter anderen im HNF in Paderborn zu bestaunen. Ein funktionsfähiger Nachbau der Z3 befindet sich im Deutschen Museum in München. Außerdem ist im Deutschen Technikmuseum in Berlin ein Nachbau zu sehen, den der Sohn des Computerpioniers, Horst Zuse, 2010 zum 100. Geburtstag seines Vaters gebaut hat.
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