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Die Digitalisierung ändert einfach allesHaben ist auch wieder relativ

Wenn teuer gekaufte Filme oder Musik plötzlich vom Rechner verschwinden, kann das ärgerlich sein. Oder inspirierend. Fast wie im realen Leben.

Bruno Ganz als Engel in „Der Himmel über Berlin“ von Wim Wenders Foto: Mary Evans/imago

N ur einige Wochen ist es her, dass Sony Playstation-Nutzer:innen Filme und Serien, die diese einst gekauft hatten, wieder aus ihrem persönlichen Online-Videoregal entfernt hat. „Der Himmel über Berlin“, „Apokalypse Now“ und mehr als 300 andere Titel – weg. Gekauft ist gekauft? Von wegen.

Der Fall öffnet Raum für Spekulationen: Steckt in Wahrheit die DVD-Industrie dahinter? Oder Aufräumikone Marie Kondo? Und: Wenn kaufen nicht mehr besitzen heißt – welche Gewissheiten werden als Nächstes erschüttert? FDP für Tempolimit? Tönnies stellt auf vegane Wurst um? Greta Thunberg fliegt zum Schnorcheln auf die Malediven?

Dabei ist es doch kompliziert genug: Schon jetzt geht der Riss bei der Beantwortung einiger essenzieller Alltagsfragen mitunter durch Familien, Hausgemeinschaften, Freundeskreise: Hund oder Katze? Zahnpasta hinstellen oder hinlegen? Nutellabrot mit Butter oder ohne?

Und nun, wo es Internet sei Dank noch mal deutlich einfacher geworden ist, Dinge nicht zu besitzen, sondern mit anderen Menschen gemeinschaftlich zu nutzen, ist eine weitere Frage dazugekommen: Haben oder leihen?

Und der Schnellkochtopf?

Trivial? Von wegen. Die Frage dahinter: Was ist derart wichtig, dass es sich im eigenen Besitz befinden muss: Auto nein, Fahrrad ja, Kinderspielzeug nein, Schuhe ja? Oder umgekehrt? Was ist mit der Bohrmaschine? Mit dem Schnellkochtopf? Und gerade wo in Sachen Haben oder Leihen eine gewisse Routine eingekehrt sein könnte, kommt, siehe Sony, noch ein Twist dazu: Haben ist relativ.

Das sieht das deutsche Recht ausdrücklich so vor, wenn auch weniger philosophisch formuliert. Der Trick: unkörperliche Güter. DVD gleich Eigentum gleich darf niemand einfach wieder wegnehmen. Derselbe Film, dieselbe Serie, dieselbe Musik gekauft, aber bei dem Anbieter in der Cloud liegend? Kann schon mal weg sein. Glücklich, wer vorher die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelesen und verstanden hat und alles gleich runterlädt.

In Zeiten der zunehmenden Softwareisierung könnten sonst Löschaktionen noch Überraschungen bringen. Die intelligente Küchenmaschine greift nicht mehr auf die Rezepte zu? Tja, doch Tiefkühlpizza. Der Hersteller des vernetzten Auto musste leider, leider das Kartenmaterial des Navigationsgeräts sperren? Wenn bloß der Smartphone-Akku nicht schlappmacht. Die Smartwatch hat alle Trainingsprogramme gelöscht? Ein Hinweis, mal aus der alten Routine auszubrechen. Hauptsache, die Insulinpumpe bekommt keine Schwierigkeiten, was die Software angeht. Dann doch lieber etwas weniger Himmel über Berlin.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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2 Kommentare

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  • Smart ist, wer sich nicht auf "Smart"-Gedöhns verlässt.

  • Für selten oder nur temporär genutzte Gebrauchsgegenstände macht Leihe durchaus mehr Sinn als Besitz. Schwierig isses aber Schnellkochtopf und Bohrmaschine mit Kunst zu vergleichen.

    Musik kauft man als Vinyl, am Besten bei den Künstlern selbst. Und nicht als digitalen Ramsch, der in irgendeiner Cloud der Musikindustrie lieblos als beliebiger Datensalat verwaltet wird. Da gehts halt nicht nur um blosen Besitz, sondern um ein Gesamtwerk aus Komposition, Soundqualität, Artwork, das Feeling beim Auflegen, etc.

    Wem das alles völlig Wurscht is, der muss sich auch nicht aufregen, wenn er von Sony verarscht wird.