Die CSU in Wildbad Kreuth: Eine Mietsteigerung von 650 Prozent
Die Gentrifizierung erreicht auch die Kurorte Bayerns: Der Mietpreis droht die CSU aus ihrem angestammten Wildbad Kreuth zu vertreiben.
Der Kampf der Adelsgeschlechter hat in Bayern begonnen. Der CSU droht die Verdrängung. Und schuld daran ist ausgerechnet der Mietpreis. Das klingt komisch, hat aber auch etwas Tragisches.
Im Wort „Gentrifizierung“ steckt ja das englische „gentry“, zu Deutsch: niederer Adel. Insofern ließe sich Bayern und insbesondere der Kurort Wildbad Kreuth nun schon mindestens 57 Jahre als durchgentrifiziert betrachten: Seither regiert das Provinzgeschlecht der Christsozialen ununterbrochen Bayerns Höhen und Täler unter der Herrschaft seiner Könige. Franz-Josef polterte, Edmund stotterte, und Horst kraftmeiert sich durch Affären und Skandale – mit absolutistischer Souveränität.
Das Einzige, was der CSU zur letzten Krönung fehlte, war seit jeher das Schloss. Aber das ließ sich mieten. Seit 1974 ist die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung Mieterin des Schlosses nahe des Tegernsees, in dem die Fraktion ihre berühmten allwinterlichen Klausurtagungen abhielten. Bisher.
Nun aber läuft der Mietvertrag aus, wie der Münchner Merkur berichtet. Und das herzögliche Haus Wittelsbach, dem das Sanatorium gehört, geht mit Mieterhöhungen in die Verhandlungen. Statt der bisher eher symbolischen 84.000 Euro Jahresmiete verlangen die Hochadligen von der CSU künftig 630.000 Euro, eine Mietsteigerung um 650 Prozent!
Ein neues Zuhause für die CSU
Wir könnten nun die Ironie darin sehen, dass ausgerechnet die bayerischen Konservativen, die sich lange mit der Mietpreisbremse so schwer taten, nun möglicherweise wegen des Mietwuchers ihren Wintersitz an die Wellnessindustrie verlieren. Es könnte andererseits uns alle angehen – auch in Berlin: Wenn schon die CSU die Miete nicht mehr zahlen kann, wer dann?
Korrektur: Bis 14:20 Uhr war irrtümlicherweise von einer Mietsteigerung von über 800 Prozent die Rede. Vielen Dank für den Hinweis in den Leserkommentaren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen