Die Bibel im Instrumentenkasten: Kurzschluss von Profit und Religion
Lob und Lobpreisung, Erfolg mit Religion verbrämt: Auch das sucht Donald Trump und fand es in der Knesset.
N un ist er also in Asien, der unermüdliche Donald Trump. Und wieder ein Friedensabkommen. Diesmal zwischen Thailand und Kambodscha. Friedensvermittlung ist wohl eine seiner erstaunlichsten Neigungen – angesichts des gleichzeitigen Schürens von Kriegsängsten. Etwa in der Karibik.
Seinen Höhepunkt hatte dieser Widerspruch kürzlich im Nahen Osten. Wie groß war die Verwirrung, die er mit seinen erfolgreichen Geisel-„Deal“ ausgelöst hat! Das zeigte sich nicht zuletzt daran: Jeder Kommentar zu dem Thema begann mit dem Ausdruck der Freude. Über die Freilassung der Geiseln. Über das – prekäre – Schweigen der Waffen. Über das Ende des Sterbens. Es war das ungläubige Eingeständnis eines guten Wirkens ausgerechnet von ebenjenem Donald Trump.
Man bekommt das nicht zusammen. Hier der „Friedensstifter“ – dort die ICE-Razzien. Hier die Geiselbefreiung – dort das Verständnis für das blutige Durchgreifen der Hamas als „Ordnungsmacht“. Hier der Friedensnobelpreis-Anwärter – dort der erbarmungslose Rächer an seinen Kritikern.
Erhellend war diesbezüglich Trumps Auftritt im israelischen Parlament, in der Knesset. Während man allerorts Bilder der echten Emotionen der Menschen sah, wurden diese zum Spielgeld in diesem unglaublichen Spektakel der Macht.
Der internationalen Politik gehe es immer um Interessen, Moral sei da bestenfalls ein Ornament, schrieb die Zeit. Selten aber liegen die Interessen so blank vor aller Augen als private Geschäftsinteressen, denen alles zum Anlass für Investitionen werden kann. Familybusiness im wahrsten Sinn. „Wandel durch Handel“ erhielt hier eine ganz neue Bedeutung. Moral kam dabei keine vor. Dafür aber Religion. Trump in der Knesset – das war gewissermaßen der Kurzschluss von Profit und Religion. Von Geschäft und Bibel. Die Heiligung des Profits. Und das Profitieren vom Heiligen. Ein Geben und Nehmen. Ohne Umweg über die Moral.
Ein groteskes Schauspiel.
Zwei der rechtesten Staatschefs der Welt – mitsamt ihrer jeweiligen Entourage – akklamierten sich wechselseitig. Wobei Trump eindeutig der Primus inter Pares, der Erste unter Gleichen, war. Was er dort erfahren hat, war nicht nur Lob, sondern Lobpreisung. Nicht nur Dank, sondern Huldigung. Erfolg verbrämt mit Religion. Aufgeladen mit Bibelanspielungen. Religion nicht als tatsächlicher Glaube, sondern als Arsenal der Superlative.
Denn auf der nach oben hin offenen Skala der Ehrungen und Würdigungen bietet die Bibel einen wunderbaren Fundus: zur Beglaubigung der eigenen Auserwähltheit – von einem auserwählten Volk zum anderen, und das auch noch an einem authentischen biblischen Schauplatz. Zur Bekräftigung, zu Höherem berufen zu sein. Zur Erhebung des Spektakels der Macht zur Huldigung Trumps als Herrn, als Autorität.
Und das ist das Stichwort, das ist die Klammer, die das gute Wirken von Trump und das negative verbindet: Friedensstifter und Kriegstreiber gegen die eigene Bevölkerung sind zwei Seiten der einen Medaille „Autorität“. Der gute und der böse Herr.
Trump hat das nicht erfunden. Die Religion wurde immer wieder von der Herrschaft in Dienst genommen. Schon im 16. Jahrhundert schrieb Etienne de la Boétie: Die Tyrannen entlehnten der Religion immer ein Stückchen von der Gottheit als Stütze ihrer Herrschaft und inszenierten ihr Handeln als Wunderwerk. Aber Trumps direkter Kurzschluss zwischen Geschäft und Bibel ist etwas anderes.
Er entspricht genau dem Religionsverständnis, das Peter Thiel in seinen Vorträgen „theoretisch“ zu untermauern versucht (wobei dessen Theorieansprüche ebensolcher Talmi sind wie das falsche Gold des Trump-Stils). Eine Lektüre, die die Bibel wörtlich nimmt. Als würden die Endzeiterzählungen, die Apokalypse, die Entscheidungsschlachten, sich tatsächlich heute abspielen, wie der Guardian schrieb. Nicht nur mystisch, sondern ganz real. Das erhebt die eigenen Kämpfe zu „heiligen Kriegen“.
Wobei Lektüre bei Trump zu weit greift. Ihm genügt es, sein Lieblingsbuch triumphierend wie eine Trophäe ins Bild zu halten. Am liebsten die goldene „Trump-Bibel“.
Die Autorin ist Publizistin in Wien.
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