Gemeinsame Kabinettssitzung in Potsdam: Kai Wegner will die Berliner direkt befragen können
Der Regierungschef wirbt für einen schnell ansetzbaren Volksentscheid. In Hamburg kann das Parlament schon seit 2015 so etwas auf den Weg bringen.
taz | Regierungschef Kai Wegner (CDU) drängt auf einen kurzzeitig ansetzbaren Volksentscheid. Leider habe Berlin diese Möglichkeit nicht, sagte er nach einer gemeinsamen Kabinettssitzung mit der Brandenburger Landesregierung in Potsdam. Er deutete Überlegungen in diese Richtung in seiner schwarz-roten Koalition an. Als mögliches Thema nannte er eine Bebauung auf dem Tempelhofer Feld.
Wegner ließ dabei offen, ob der Senat oder das Abgeordnetenhaus eine solche Befragung ansetzen können soll. Darauf angesprochen, dass seine Koalition nicht über die dafür nötige Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung verfügt, sagte Wegner: „Direkte Demokratie muss doch auch für Linke und Grüne wichtig sein.“ Mit den Stimmen beider Fraktionen hatte Wegners Koalition im Juni die Verwaltungsreform beschlossen und dafür die Landesverfassung geändert.
In Berlin ist ein Volksentscheid bisher nur über den Weg von Volksinitiative und Volksbegehren möglich, der bis zur Abstimmung mindestens zwei Jahre dauert. Linkspartei und Grüne hatten in der Vergangenheit eine von der Regierung angesetzte Befragung tendenziell als „Volksentscheid von oben“ abgelehnt.
Mehr Sympathien könnte die Hamburger Gesetzeslage haben: Dort kann das Landesparlament seit 2015 einen Volksentscheid ansetzen, wenn zwei Drittel der Abgeordneten das befürworten – was faktisch nicht ohne Stimmen aus der Opposition geht. Erstmals zum Einsatz kam dieses Modell 2015 bei einer Abstimmung über eine Olympiabewerbung. Am 31. Mai will Hamburg erneut über dieses Thema abstimmen lassen, so wie vor eineinhalb Wochen der Stadtrat in München.
„Wir sehen weiter beste Chancen für Berlin“
Dort hatten sich am 26. Oktober bei einem Bürgerentscheid mit Rekordbeteiligung fast 67 Prozent für eine Bewerbung ausgesprochen. In Berlin hingegen hatte im Sommer eine Meinungsumfrage noch nicht mal 40 Prozent Rückhalt ergeben. In der Pressekonferenz nach der gemeinsamen Kabinettssitzung hielten sowohl Wegner wie Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dennoch an einer Bewerbung fest. „Wir sehen weiter beste Chancen für Berlin“, sagte Woidke und erinnerte daran, dass man schon in die Regattastrecke in Brandenburg an der Havel investiere. Wegner interpretierte den großen Rückhalt in München als generelles Votum für Olympische Spiele in Deutschland.
Zum bislang letzten Mal hatten sich die beiden Landesregierungen im April 2024 auf dem Campus der Charité in Berlin getroffen. Damals wie dieses Mal ergingen sich beide Regierungschefs in größtem Lob. Sagte Woidke damals, die Zusammenarbeit sei „besser denn je“, so bedankte sich Wegner nun „für die wirklich großartige Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg“.
Die oppositionelle CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag sah das am Dienstag deutlich anders – deren parlamentarischer Geschäftsführer Steven Bretz wünschte sich auf taz-Anfrage eine „viel engere Zusammenarbeit“. Die Metropolenregion werde nur erfolgreich sein, „wenn Berlin und Brandenburg an einem Strang ziehen, und am besten in die gleiche Richtung.“
Auf Brandenburger Seite war das Treffen überschattet von der Ankündigung von Woidkes Koalitionspartner BSW, in der nächsten Landtagssitzung Rundfunkstaatsverträgen nicht zuzustimmen. Die Koalition soll trotzdem nicht in Gefahr sein, beteuerten sowohl SPD- wie BSW-Fraktion im Landtag gegenüber Journalisten – und für die nötige Zustimmung zu den Verträgen will nach eigener Ankündigung die CDU-Fraktion sorgen. Das reicht aber auch nur, wenn mindestens, wie angekündigt, ein BSW-Abgeordneter anders als der Rest seiner Fraktion zustimmt.
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