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■ Die Berliner SPD stürzt ihre FinanzsenatorinPolitikwechsel im Hinterzimmer

Es weihnachtet. Kaum hat sich Kanzler Schröder millionenschwer bei den Holzmännern eingeschmeichelt, da zeigt die SPD in der Hauptstadt schon wieder ihr soziales Herz. In den Koalitionsverhandlungen mit der CDU zog die Landespartei ihre strenge Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing kurzerhand aus dem Verkehr. Der Sparkurs à la Eichel, den die Berliner Genossen schon vier Jahre lang praktizieren, ist nun passé. Den Schuldenberg der maroden Millionenstadt will die SPD wieder christdemokratischem Laisser-faire überlassen.

Über das Für oder Wider eines solchen Politikwechsels lässt sich streiten. Das Schlimme aber ist: Die Richtungsentscheidung wurde in der heruntergekommenen Berliner SPD gar nicht als solche wahrgenommen. Sie ist vielmehr das Ergebnis eines schnöden Postenschachers, der dem Landesvorsitzenden und neuen Bausenator Peter Strieder einen Platz am Kabinettstisch sicherte. Der Hilfe der CDU, der die Finanzsenatorin ein Dorn im Auge war, konnte sich der kleine Spree-Machiavelli dabei sicher sein. Die aus Hessen importierte Fugmann-Heesing, mit den Fallstricken bezirklicher Hinterzimmerpolitik nicht vertraut, blieb auf der Strecke.

Damit hat die Berliner SPD nicht nur ihre erfolgreichste Senatorin abgesägt, sondern auch die Glaubwürdigkeit der Partei zerstört. Die Botschaft dieser Personalentscheidung lautet: Sorry, wir haben in den vergangenen vier Jahren leider alles falsch gemacht. In zähen Koalitionsverhandlungen hatte die SPD der CDU noch das Bekenntnis zu einem strikten Sparkurs abgerungen. Jetzt ist die Vereinbarung nicht mehr das Papier wert, auf das sie geschrieben wurde.

Im Bund hat die rot-grüne Regierung ihr Sparpaket nicht zurückgezogen, sondern nur mit ein paar sozialen Feigenblättchen garniert. Die Berliner SPD dagegen propagiert, wie das Schröder-Kabinett in seinem ersten Jahr, die Strategie des täglichen Politikwechsels. Aus dem Tal ihrer 23,6 Prozent wird ihr das nicht heraushelfen. Ralph Bollmann

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