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Die Band JaKönigJa über ihr neues Album„O Gott, die meinen das ernst“

Ebba und Jakobus Durstewitz von der Band JaKönigJa haben eine Vorliebe für Dissonanzen. Ihren Seelenfrieden finden sie beim Angeln.

Sinn fürs Absurde: JaKönigJa aus Hamburg Foto: Promo/Jutta Yoo
Jan Paersch
Interview von Jan Paersch

JaKönigJa, ein Hamburger Trio, bestehend aus Ebba und Jakobus Durstewitz und Marco Dreckkötter, haben in den improvisierten Konferenzraum ihrer Plattenfirma Buback geladen, der im oberen Stockwerk über einem ehemaligen Supermarkt im Stadtteil Sankt Pauli untergebracht ist. Sie sprechen über ihr neues Album „Emanzipation im Wald“. Anwesend sind nur Durstewitzens, sie rauchen Kette, Jakobus Durstewitz im halb geöffneten karierten Hemd, Ebba Durstewitz ganz in Schwarz. Die Basecap mit dem „Schnipo Schranke“-Aufdruck wird sie im Laufe des Interviews ablegen.

taz: Was ist der wichtigste Anreiz, Ihr neues Album, „Emanzipation im Wald“ zu hören?

Jakobus Durstewitz (JD): Das müssen Sie schon selbst herauszufinden, ob Sie JaKönigJa-Hörer sind. Das wissen Sie ja vorher nicht.

Ebba Durstewitz (ED): Unser Werk speist sich aus verschiedenen Dingen, aber es ist immer noch sein eigenes Genre. Und seine Musik wächst. In der kurzen Phase zwischen Fertigstellung und Veröffentlichung, in der man vielleicht schon vergessen hat, wie die Dinge entstanden sind, wird man auch beim eigenen Album zum Hörer. Entdeckt immer noch Neues. Und staunt über die eigene Naivität.

JD: Die Texte sind größtenteils assoziativ, da lassen sich immer neue Verbindungen herstellen. „Woher kommst du?“ habe ich als Liebeslied verstanden, bis Ebba mir gesagt hat, dass es darin um die Kunst geht.

ED: Der Begriff, der JaKönigJa und unsere Geschichte am besten beschreibt, ist Ambivalenz. Das kommt auch in den Texten immer wieder vor: Etwas soll sich ändern, aber es soll gleichzeitig bleiben, wie es ist. Die Musik ist vordergründig eher fluffig und geradeheraus, aber dann hört man unsere Vorliebe für Dissonanzen, für Dinge, die sich nicht so leicht greifen lassen. Das merkt man auch am Gesang. Ich selbst hasse nichts mehr als Soul-Gesang.

Den Soul, der in Castingshows im deutschen TV praktiziert wird?

ED: Ja, aber ich konnte auch nie etwas mit Kunstliedern oder Operetten anfangen. Dieses blöde, alles verschleiernde, feige Herumschummern um einen Ton.

Wie würden Sie Ihre Musik dann beschreiben?

ED: Im weitesten Sinne als Popmusik.

JD: … mit einem gewissen Anspruch …

ED: … der aber auch nicht herbeikonstruiert ist. Das ist schon die Musik, die aus uns rauskommt. Natürlich fließt alles, was man gehört hat und gut findet, mit hinein. Aber wir haben uns nie überlegt, so oder so klingen zu wollen. Als wir in den Neunzigern angefangen haben, zur Hochphase der sogenannten Hamburger Schule, galten wir zwar als Hausband des Golden Pudel Clubs, aber wir waren ein bisschen jenseits von allem. Es gab ein Kategorisierungsproblem. Journalisten hatten immer den dringenden Wunsch von Namedropping. Was ich auch verstehen kann, ohne klappt’s halt nicht mit dem Gehirn.

JD: Bis ein findiger Journalist darauf gekommen ist, unseren Sound Kammerpop zu nennen. Seitdem ist alles Kammerpop, wo ein Cello dabei ist.

ED: Das Debütalbum war sehr reduziert, nur mit Cello und Gitarre. Die Zeit hat uns da in die Hände gespielt. Um die Jahrtausendwende kamen immer mehr Bands, zumeist US-amerikanische, die ein erweitertes Instrumentarium benutzt haben. Es war nicht mehr so wie 1996: Wer ein Banjo benutzt, macht Country, und ein Cello ist gleichbedeutend mit Klassik.

Im Interview: JaKönigJa

Ebba und Jakobus Durstewitz bilden seit 1994 privat und musikalisch ein Paar. Zusammen mit Marco Dreckkötter sind sie JaKönigJa. Ihr leicht entrückter Dream Pop voller rätselhafter Natur- und Alltagsbeobachtungen ist jenseits aller Kategorisierungen und äußerst vielseitig. Jakobus Durstewitz hat zusammen mit Mense Reents auch das Techno-Blasmusik-Projekt Die Vögel.

Am 29. Juli 2016 erscheint „Emanzipation im Wald“ (Buback/Indigo): Sein sanfter, beinahe folkiger Eindruck ist betörend. Schlagzeug und E-Gitarre treten für Mandoline, Posaune und Banjo in den Hintergrund. Die Musik, behutsam arrangiert von Multiinstrumentalist Jakobus Durstewitz, wirkt tiefenentspannt. Die Band, in der Ebba für Texte, Gesang und Cello zuständig ist, veröffentlichte zunächst auf dem Label ihres Entdeckers Detlef Diederichsen, seit 2005 bei Buback.

Wie entstand eigentlich das Zusammengehörigkeitsgefühl unter Hamburger Bands?

JD: Vor allem gab es in Hamburg einen Mangel an guten Orten. Deshalb sind alle in den Pudel, in Heinz Kramers Tanzcafé und später in die Mutter gegangen, so hat man sich getroffen.

ED: Im Nachtleben war alles verquickt. Wenn man in einem Studio aufnahm und sich gegenseitig half, weil jemand ein bestimmtes Mikrofon hatte. Die Hamburger Szene war das Nächste, aber wir waren nicht richtig Teil davon. Gerade auf den ersten Alben klangen wir sehr anders, auch die Texte waren nicht so diskurslastig. Im Pudel konnten sich alle auf uns einigen, da waren wir die Skurrilen. Als das Debüt rauskam, waren viele enttäuscht: „Kann das nicht schmutziger klingen?“ Die hatten gedacht, das wäre postmoderne Ironie auf höchstem Niveau. Und dann die Reaktion: O Gott, die meinen das ernst.

JD: Als es das Label L’âge d’Or noch gab, gab es auch so etwas wie eine Hamburger Schule. Im Soundgarden Studio in der Karolinenstraße habe ich ein Album mit meiner ersten Gruppe Das Neue Brot aufgenommen. Das fühlte sich wirklich wie eine Schule an, genauer: wie ein Schulhof. Oben war das Label, unten im Keller das Studio. Immer kamen irgendwelche Musiker rein. Man kannte die alle vom Ausgehen. Am Ende hatten wir auf der Platte einen Chor mit den Lassie Singers und Leuten von Eisenpimmel. Das war das Klassenzimmer der Hamburger Schule. Als sich Das Neue Brot aufgelöst hat, hatte ich keine Lust mehr, alleine auf der Bühne zu stehen. Ich war damals öfters bei Ebbas Mitbewohnerin zu Besuch. Und da hab ich mich an dieses wunderschöne Cello erinnert, das man aus dem Nach­bar­zimmer hörte. Dann habe ich Ebba gefragt, ob sie Bock hat.

Gibt es eine männliche und eine weibliche Art, Musik zu machen?

JD: Wir beide praktizieren die weibliche. Die männliche Art nennt sich Band. Die spielen Mucke, die spielen Riffs.

ED: Das ist ein Klischee, aber es hält sich hartnäckig. Dieses Rockistische, das sich so ernst nimmt.

JD: Die weibliche Seite wird durchaus auch von Künstlern repräsentiert: Robert Wyatt und Van Dyke Parks zum Beispiel, die uns sehr nahe sind.

Wie entstehen Ihre Kompositionen?

ED: Musik und Text kommen selten zusammen. Die finden sich gegenseitig. Ausgenommen der Titelsong „Emanzipation im Wald“, den habe ich auf der Gitarre komponiert. Wenn man aus einem Text ein Stück machen will, gibt es oft Momente, in denen etwas nicht klappt, weil Text und Musik sich gegeneinander sperren. Man muss die Kontrolle abgeben, dann fügt es sich.

Was war besonders an der Produktion von „Emanzipation im Wald“?

JD: Wir haben Text und Musik roh aufgenommen und dann angefangen zu stapeln. Dann hat man einen Riesenhaufen von Instrumenten, und dann schafft man Luft. Manchmal nimmt man sogar das Hauptinstrument weg aus dem Mix.

Das dauert manchmal acht Jahre, so lange liegt Ihr letztes Album zurück.

ED: Natürlich sind einige der Texte älter, aber da gibt es andere Hindernisse. Der reine Aufnahmeprozess ging wirklich total schnell.

JD: Wir haben immer mehrere Eisen im Feuer. Wir machen Theatermusik, ich gestalte Bühnenbilder, Ebba schreibt, und ich male.

Es war zu erfahren, dass Sie nur Bilder malen, die mit Angeln zu tun haben.

JD: Ich baue Angeln, und letztes Jahr hatte ich auch eine Ausstellung zum Thema. Angeln bringt mir Seelenfrieden. Eine schöne, mindestens hundert Jahre alte Angel in der Hand zu halten, ist wichtiger, als wirklich einen Fisch zu fangen.

Sind Sie deshalb auch vor zwei Jahren von Hamburg aufs Land gezogen?

JD: Ebba hat sich immer als Stadtmensch gesehen, ich hatte schon länger einen Stadtkoller. Hamburg hat mich richtig krank gemacht. Dazu kam, dass die Miete so teuer wurde. Jetzt wohnen wir 45 Minuten entfernt, in einem Häuschen mit nichts als Heide drumherum.

ED: Es ist gar nicht so schlimm auf dem Land. Dieser Stadt-Land-Gegensatz ist völlig überholt. Dass ländlich gleich piefig ist, ist eine schiefe deutsche Wahrnehmung. Das gibt es in England nicht. Der Titel „Emanzipation im Wald“ stand im Übrigen schon lange vorher fest, als wir noch nicht im Traum ans Wegziehen dachten.

In Ihren Texten ist oft die Rede von Bergen, die um sich kreisen. Im Titelsong besingen Sie Stechdorn und Sauerklee. Warum?

ED: Ich habe von Botanik gar keine Ahnung und musste mir die Fachbegriffe aus einem Pflanzenbuch holen. Ich mochte die Wörter. Sprache ist da zwischen sinnlich und abstrakt. Beim Hörer kommt das oft als verkopft an, dabei ist es tatsächlich ein Gefühlsding. Meine Texte für „Emanzipation im Wald“ sind meine bisher geschlossensten, finde ich.

Emanzipation wird auch als Befreiung aus Abhängigkeit definiert.

ED: In dem Song wird ein grausamer Befreiungsprozess beschrieben, ein Prozess, bei dem man um sich schlägt. Im Grunde die Befreiung aus einer Depression. Auf der einen Seite steht die Vorgabe, gesellschaftlich funktionieren zu müssen, auf der anderen das Wahnsinnigwerden. Deshalb dreht der Text auch so ab, am Ende geht es um Quittenkerne und tanzende Erdmännchen.

„Zuflucht in Pflanzen“ ist auch so ein hübscher Songtitel.

ED: Der Umzug war noch nicht mal angedacht, aber die Kämpfe und die Probleme als Freiberufler, all das, was man stadt- und gesellschaftspolitisch mitbekommt, verstärkt die Suche nach einem anderen Ort, einem anderen Sein. Das sind potenzielle Zufluchtsorte, die in den Songs stecken. Das können bestimmte Essenzen sein, es kann aber auch der Mirabellenbrand sein.

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