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Die Angst wird bleiben

Zuchtverbot? Leinenzwang? In Hamburg-Wilhelmsburg, wo ein Sechsjähriger totgebissen wurde, wird sich wenig ändern

aus HamburgHEIKE HAARHOFF

Die Eisenkette, an der die Kinderschaukel hängt, ist in sich verknotet, im Schaukelbrett haben Krallen und Zähne tiefe Spuren hinterlassen. Zerbissen sind auch die Klettergerüste neben der Sandkiste und die Außenränder der Drehscheiben. „Sie kommen fast jeden Abend mit ihren Hunden hierher“, sagt die Schülerin Ayse, 14. Hierher, auf den Spielplatz am Haus der Jugend, hierher, auf den Spielplatz in der Wittestraße, hierher, auf den Spielplatz in der Buddestraße in Hamburg-Wilhelmsburg. Orte, an denen Kinder sich sicher fühlen sollten. Orte, keine 500 Meter von der Schule entfernt, auf deren Pausenwiese am Montag der sechsjährige Volkan von zwei Kampfhunden totgebissen wurde.

„Sie lassen ihre Hunde an den Schaukeln hochspringen, hetzen sie im Kreis, und wenn die Hunde sich wehren, schlagen sie sie“, sagt Ayse. Das allabendliche Abrichten der Hunde sind ein offenes Geheimnis in Hamburg-Wilhelmsburg, dem heruntergewirtschafteten Arbeiterstadtteil südlich der Elbe, zwölf S-Bahn-Minuten von den glitzernden Geschäften an der Außenalster entfernt. Auch bei Ibrahim K., dessen Pitbull „Zeus“ den Schüler Volkan tötete, fand die Polizei bei seiner Verhaftung am Dienstag Fotos, die „Zeus“ beim Zerfetzen eines Klettergerüsts zeigen.

„Aber anzeigen können wir die Hundebesitzer doch nicht“, sagt Ayses Freundin Nadine, „wir kennen sie, sie kennen uns.“ Um dieses Dilemma wissen auch Polizei und Ordnungsamt. Sie müssen sich jetzt gegenüber wütenden Anwohnern und schockierten Politikern rechtfertigen. „Natürlich wissen wir von dem Hundetraining, und natürlich wissen wir auch, dass in Scheunen außerhalb der Stadt regelmäßig Hundekämpfe stattfinden“, sagt Oberkommissar Claus Strobel, der in Wilhelmsburg als Bürgernaher Beamter arbeitet. Doch werde die Polizei, wenn überhaupt, zu spät informiert. „Wenn wir dann anrücken, hat sich die Gruppe längst aufgelöst.“

Unfair findet auch das zuständige Ordnungsamt die Vorwürfe, die jetzt von Anwohnern und Angehörigen auf der Schulwiese vor laufenden Kameras und einem Hügel aus Spielzeug, Kerzen, Blumen und Kinderbriefen geäußert werden: „Jeden Abend höre ich das Keilen und Keuchen der Hunde, aber die Behörden schicken höchstens mahnende Briefe“, sagt Mehmet Zoroglu, der bei der Schule um die Ecke einen Kiosk betreibt.

Dass es bis zu Volkans Tod in Wilhelmsburg durchaus zum guten Ton gehörte, mit einem Kampfhund durch die Straßen zu ziehen, sagt er nicht. Auch von den zwielichtigen Hundezüchtern, die in den heruntergekommenen Großsiedlungen und bei einer Sozialhilfedichte von mehr als 50 Prozent versuchen, die eine oder andere schnelle Mark zu machen, spricht dieser Tage niemand gern. Wilhelmsburg hat sich gegen die Abqualifizierung zum „Problemstadtteil“ auf seine Art verteidigt.

Die Kampfhunde gehörten dazu und werden wohl dazugehören – ungeachtet der Ankündigung der beiden kommunalen Wohnungsunternehmen, das bereits bestehende Haltungsverbot mit strengeren Kontrollen durchzusetzen.

Über die Wiese, auf der vor zwei Tagen Volkan starb, schlendert eine junge Frau, einen Schäferhundmischling rechts, einen Boxer links an der Leine. Kinder rennen weg, die Pastorin von Wilhelmsburg, die Schulleiterin schreiten ein. Es ist eine einzige Provokation. Die Frau weiß das. Es stört sie nicht. „Wenn die glauben, dass sie uns unsere Hunde wegnehmen können, dann werden sich die Leute hier eben andere Waffen besorgen.“

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